Göttinger NoG20-Soli-Newsletter #6

Die „Soko Schwarzer Block“ ist jetzt die, an die Staatsschutzabteilung des LKA angegliederte, „Ermittlungsgruppe Schwarzer Block“, sonst ändert sich nix an der Repression. In den letzten Wochen kam es erneut zu großangelegten Razzien sowie Festnahmen im Zusammenhang mit NoG20, die Öffentlichkeitsfahndung ging in die dritte Runde. Außerdem geht es in diesem Newsletter um den Abschluss des Sonderausschusses, autoritäre Entwicklungen und die Mobilisierung zu den Gipfelprotesten Ende November in Argentinien.

Passend zu unserer Veranstaltung im Juli haben wir übrigens diesen Radiobeitrag zu Knasterfahrungen entdeckt. Am 31. Oktober wird es auch noch eine spannende Veranstaltung zum Thema Knast-Solidarität in der OM10 geben.

Und falls ihr noch was Passendes für den nächsten Spieleabend sucht, vielleicht ist Bloc by Bloc ja was für euch!

 

Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel

In diesem Jahr findet der Gipfel der G20-Regierungschef*innen Ende November in Buenos Aires, Argentinien statt. Über das Jahr verteilt finden zur Vorbereitung die verschiedenen Minister*innentreffen statt. Im Juli gab es bereits massive Proteste gegen das Treffen der Finanzminister*innen, die sich vor allem an der Politik des Internationalen Währungsfonds entzündeten.
Das Foro Feminista contra el G20 mobilisierte zu Protesten gegen den Women20 Anfang Oktober.
Gegen den Gipfel Ende November formiert sich seit langem breiter Protest:
International call for action (hier auch in deutsch und weiteren Sprachen)
Bündnis Asamblea NO G20
Aufruf von laboursolidarity

Die meisten von uns können vermutlich nicht nach Buenos Aires reisen, aber hier könnt ihr die Proteste mit einer Spende unterstützen.

Zur weiteren Vernetzung der weltweiten Proteste haben sich Aktivist*innen aus Hamburg und Paris zusammengesetzt und sowohl eine Auswertung der Proteste in Hamburg im letzten Jahr als auch daraus folgende Überlegungen für kommende Gipfelproteste formuliert. Den Text auf spanisch, englisch, französich und deutsch findet ihr bei CrimethInc.

Natürlich möchte auch Verbote-Grote seine G20-Erfolgsgeschichte weitergeben und reiste vor einigen Tagen nach Buenos Aires, um „Ratschläge in Sicherheitsfragen“ zu erteilen.

 

Erneut Razzien und Festnahmen

Im August und September ging die Polizei weiter gegen Personen aus Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen vor. Insgesamt verschafften sich die Repressionsorgane gewaltsam Zutritt zu 24 Wohnungen. Die Tatvowürfe sind, wie immer im NoG20-Kontext, wahllos zusammengedichtet. Eine Person aus Hamburg wurde festgenommen, jede Menge persönlicher Kram und Daten einkassiert. Parallel startete eine weitere europaweite Hetzjagd auf 4 Personen mittels Öffentlichkeitsfahndung.

Auch europaweit kam es zu Polizeiaktionen. Ein Aktivist aus Frankreich, Loic, der sich im Zuge der internationalen Razzien Anfang Juni in Sicherheit bringen konnte, wurde nun gewaltsam festgenommen, nach Deutschland ausgeliefert und sitzt jetzt im Untersuchungsgefängnis Holstenglacis in Hamburg. Eine weitere Person ist in der Schweiz im Zusammenhang mit den G20 Protesten in Haft genommen wurden. Mittlerweile ist er nach Deutschland ausgeliefert worden.

Und für alle, die es noch nicht zu Hause griffbereit haben, hier das Einmaleins im Falle einer Hausdurchsuchung, bereitgestellt vom EA Hamburg.

 

Das Ende eines Sonderausschusses

Nach 15 Sitzungen wurde der G20-Sonderausschuss am 16.8.18 beendet. Als einen Erfolg wertet das Ganze lediglich die Hamburger SPD, schließlich ist sie da ziemlich unbeschadet rausgekommen. Deutlich wurde, es gibt keine gemeinsame Erzählung, nicht mal innerhalb der Hamburger Bürgerschaft. Fazit der rot-grünen Hamburger Regierungskoalition ist jedenfalls: Mehr Polizei wäre gut gewesen und zukünftig Programme zur Gewalt- und Extremismusprävention ausbauen (vermutlich sind damit wiederum nicht die Polizist*innen gemeint…).
Kommentar von Christiane Schneider
Gescheiterter Sonderausschuss?, shz
Ein Jahr nach G20 ist noch nichts klar, taz
Hardliner legen nach, jW
Auswertung zum Anhören beim fsk 
Außerdem 3 Beiträge der abschließenden Bürgerschftssitzung Ende September zum Anhören, fsk

 

Prozesse

Im Juli wurde Peike vorerst von der Haft verschont. Der Berufungsprozess  geht jedoch weiter. Auch in Christians Berufungsprozess wird aktuell prozessiert. Die Verhandlung gegen die Aktivistin Robin wurde mittlerweile beendet. Sie wurde zu 90 Tagessätzen wegen angeblicher Körperverletzung verurteilt.

Ende August wurde der Freispruch des Aktivisten Evengi rechtskräftig. In seinem Prozess waren die sogenannten Tatbeobachter*innen die Hauptbelastungszeugen, deren Aussagen das Gericht im Verhandlungsverlauf als „unseriös“ bewertete. Zur Kritik an dem Einsatz von Tatbeobachter*innen hier ein Link zum Weiterlesen.

Seit Anfang September wird gegen drei Berliner Aktivist*innen prozessiert, die während der Gipfeltage von Zivilbeamten brutal festgesetzt worden sind. Die Aktivist*innen haben eine Erklärung abgegeben und wünschen sich Prozessbegleitung auch zum nächsten Prozesstermin am 1.11. Bei den bisherigen Verhandlungsterminen waren übrigens Zivis im Publikum, findet der Dienststellenleiter des PK21 ganz normal.

Die nach den Razzien Ende Juni festgenommenen Aktivisten aus Frankfurt und Offenbach sitzen weiterhin in U-Haft. Ihr Prozess wird am 18.12. eröffnet. Zur Situation der Gefangen könnt ihr in diesem Bericht eines Angehörigen mehr erfahren. Die Soligruppe wünscht sich natürlich gerne Unterstützung.

Der Prozess gegen den Sprecher des Social Strike-Bündnisses aus Bremen ist eines der wohl offensichtlichsten Beispiele dafür, dass es bei der Strafverfolgung oft ausschließlich um Kriminalisierung und Einschüchterung von Protest geht. Hier die Prozesserklärung des Betroffenen.

Außerdem hat Ende September der erste Prozess wegen „cornern“ begonnen, der nächste Prozesstag ist der 22. Oktober.

Für Oktober, November und Dezember sind bereits zahlreiche weitere Prozesstage in verschiedenen Verfahren angesetzt, ihr findet sie bei united we stand.

Prozesse gegen Polizeibeamt*innen gibt es nach wie vor nicht, es wurden erneut Verfahren eingestellt.

 

Autoritäre Fantasien und Realitäten

In einem Interview ein Jahr nach dem Gipfel in Hamburg sonnt sich Innesenator Andy Grote in seinen Strafverfolgungsfantasien. Er schwadroniert von einem „neuen Standard der Strafverfolgung“ und berichtet begeistert: „Was die Soko [Schwarzer Block] sich an Fähigkeiten, an Methoden, an Instrumenten und an Verfahren erarbeitet hat, ist ein Standard, den wir beibehalten werden, so werden wir in Zukunft immer vorgehen“. Wir erinnern uns: Zu diesen grund- und datenschutzrechtlich völlig unbedenklichen Fähigkeiten, Methoden und Instrumenten gehörten bspw. die mehrfachen Öffentlichkeitsfahndungen, größtenteils ohne konkreten Tatvorwurf, sowie Hausdurchsuchungen bei genau den Menschen, die im Zusammanhang mit den Rondenbargvorwürfen kritisch an die Öffentlichkeit getreten sind.

Eine weitere dieser neuen Fähigkeiten ist ebenfalls höchst umstritten: Die Gesichtserkennung per Software. Die durch die Soko Schwarzer Block erstmals eingesetzte Software soll nun dauerhaft in Hamburg etabliert werden. Laut Datenschutzbeauftragtem ist das zwar rechtswidrig, aber das hat bisher ja auch nicht gestört.
Caspar kritisiert Gesichtserkennungssoftware, NDR
Hier das offizielle Statement des Datenschutzbeauftragten dazu.
„Neue Dimension staatlicher Ermittlungs- und Kontrolloptionen“, Netzpolitik.org
Da der Hinweis auf die Rechtswidrigkeit den Behörden, wie üblich, nicht ausreicht, wird es vermutlich zu einem Rechtsstreit kommen. Polizei in der Bredouille, taz
Wobei die „Erfolgsquote“ der Software nahelegt, dass diese „Super recogniser“ evtl. das größere Problem sind…

Wenn das Sitzen auf dem Gehweg dann einen Polizeieinsatz auslöst…
Technik erkennt „abweichendes Verhalten“, Tagesspiegel

Apropos Videos: Verfassungsschutzchef Maaßen hat doch tatsächlich versucht, seinen AfD-move mit angeblich gefälschten Videos von Polizeigewalt während NoG20 zu begründen, wie praktisch…

Außerdem wünscht sich Polizeipräsident Ralf Martin Meyer mehr Spitzel in der linken Szene. Auch in dem Bereich hat Hamburg bereits eine unrühmliche Geschichte:
Spitzel-Einsatz war rechtswidrig, taz
Dritte verdeckte Ermittlerin in Hamburg, taz

Im Kontext der autoritären Entwicklung sind auch die geplanten Novellierungen der Polizeigesetze der Länder in Bezug auf „Gefahrenabwehr“ zu sehen, die alle in die gleiche Richtung weisen. Wie diese Richtung aussieht, zeigt sich in Bayern bereits deutlich. Dort wurden bspw. Menschen auf dem Weg zu den NoS20-Protesten im Zug festgehalten und fast 20 von ihnen präventiv inhaftiert, ohne dass irgendeine konkrete Gefahr, geschweige denn eine Straftat vorgelegen hätte.
Informationen zum aktuellen Gesetzesentwurf, der Kritik daran sowie geplanten Protestaktionen findet ihr hier:
#noNPOG Bündnis
No NPOG Göttingen
Einen guten Überblick bietet auch der Mitschnitt der Veranstaltung „Auf dem Weg in den autoritären Staat?“ mit den Göttinger Anwälten Sven Adam und Rasmus Kahlen.

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