Infoveranstaltung zum Stand der Repression nach G20
Samstag | 04.05.2019 | 18 Uhr | Juzi, Bürgerstraße 41, Göttingen
mit EA Hamburg & EA Freiburg
Neben einem kurzen Einblick in den aktuellen Stand der Repression gegen Genoss_innen aus Göttingen, werden Genoss_innen vom EA Hamburg und EA Freiburg uns vom aktuell laufenden Elbchaussee-Prozess berichten, über den Stand der Repression gegen indymedia linksunten erzählen und uns einen Überblick über die G20 Repression fast zwei Jahre nach G20 in Hamburg geben.
Experience Solidarity
Loïc aus Frankreich sitzt seit seiner Auslieferung nach Deutschland im Sommer 2018 in Hamburg in Untersuchungshaft. Can und Halil aus Frankfurt am Main saßen über ein halbes Jahr in Untersuchungshaft. Zusammen mit zwei weiteren Genossen wird ihnen vorgeworfen, während der G20-Proteste 2017 bei den Riots in der Elbchaussee „dabei gewesen“ zu sein. Bei dem Mitte Dezember vor dem Hamburger Landgericht gestarteten, groß angelegten Prozess, versucht sich der Staat für die Proteste beim G20-Gipfel zu rächen.
Kriminalisierung von linken Protesten
Nachdem mit dem Prozess gegen Fabio vor etwa einem Jahr der Versuch zunächst gescheitert ist, die bloße Teilnahme an der Demonstration am Rondenbarg als Straftat zu verfolgen, wird das Demonstrationsrecht im ersten Elbchaussee-Prozess erneut massiv angegriffen. Maßgeblich soll die bloße Anwesenheit und die dadurch geleistete „emotionale Unterstützung“ für eine Verurteilung mit einem angestrebten Strafmaß von bis zu zehn Jahren Haft reichen. Die Staatsanwaltschaft will die fünf Angeklagten für alle Sachbeschädigungen in der Elbchaussee zur Rechenschaft ziehen. Dementsprechend besteht die Anklageschrift vor allem aus einer detaillierten Beschreibung beschädigter Autos sowie einer Handvoll Indizien, dass die Beschuldigten irgendwie vor Ort gewesen sein sollen. Obwohl es keinerlei polizeiliche Foto- oder Videoaufnahmen von den Geschehnissen gibt, basieren die Vorwürfe – Brandstiftung, schwerer Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung – auf einem „Bewegungsprofil“, das die Polizei erstellt haben will.
Sollte diese Strategie Erfolg haben, wäre es dem Staat jederzeit möglich, für noch so kleine Vorfälle eine gesamte Demonstration zu verfolgen und zu kriminalisieren. Es geht beim aktuellen Prozess in Hamburg also nicht nur um mögliche Haftstrafen für unsere Genossen, sondern auch um die grundsätzliche Verschärfung für die Bedingungen unter denen wir unsere Meinung und Protest auf die Straße tragen. Dieses Instrument zur Kriminalisierung ganzer Demonstrationen reiht sich ein in die Verschärfung der Polizeigesetze, die Ausweitung der Überwachung, die Verschärfung von Strafen für Bagatelldelikte auf Demonstrationen und dem Verbot von indymedia.linksunten. Wir aber lassen uns nicht spalten in ihre Kategorien von friedlich und nicht-friedlich. Wir werden uns immer wieder das Recht nehmen für unsere Ziele mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln auf die Straße zu gehen.
Wir sind alle erziehungsschädlich
Zu allem Überfluss findet der politische Prozess um die Geschehnisse in der Elbchaussee nun bis zu den Plädoyers hinter verschlossenen Türen statt: ohne die Möglichkeit, diesen öffentlich zu begleiten und die Betroffenen während der Gerichtstermine solidarisch zu unterstützen. Die Begründung für den Ausschluss der Öffentlichkeit zeigt die autoritäre Gesinnung der Justiz und könnte perfider kaum sein: Nach Auffassung des Gerichts sei die vor und während der Verhandlung gezeigte Solidarität mit den zur Zeit des G20-Gipfels noch jugendlichen Angeklagten „erziehungsschädlich“. Insbesondere wird sich auch auf die Empfehlung zur Aussageverweigerung durch die Rote Hilfe bezogen. So steht Loïc die weiteren Prozesstage (mind. bis September 2019) nun ohne die Chance vor Gericht, wenigstens kurz Freund*innen und solidarischen Menschen zu sehen.
Ein Funke der Hoffnung
Mit dem Ruf nach harten Strafen soll von dem abgelenkt werden, worum es 2017 in Hamburg eigentlich ging: zehntausende Menschen haben gezeigt, dass sie nicht bereit sind, die menschenverachtende und auf Profite ausgerichtete Politik der G20 einfach hinzunehmen. Trotz aller Versuche von Hamburgs Innensenator Grote und Co, die Proteste einzuschüchtern und zu verhindern, trotz Hetze und widerrechtlicher Campräumungen im Vorfeld und trotz massiver Polizeigewalt sind wir tagelang mit unterschiedlichen Mitteln auf die Straße gegangen. Mit unserem Protest haben wir den G20 nicht nur die Show gestohlen, sondern auch verhindert, dass sich Deutschland mit dem Gipfel wie geplant in Szene setzen konnte. Außerdem blitzte im Zusammenspiel der unterschiedlichen Protestformen und der erlebten und gelebten Solidarität untereinander, die Ahnung einer anderen, befreiten Gesellschaft durch. So wurden zum Beispiel fehlende Camps durch geöffnete Schauspielhäuser, Kirchen und Vorgärten ersetzt. Zahlreiche Menschen haben ihre Klingeln markiert, um den Weg zu einem Rückzugsraum zu weisen. Kostenlose Essensstände boten an jeder Ecke die Möglichkeit neue Kraft zu tanken. Demosanis wie auch das Legalteam haben Unmögliches geleistet und trotz unaufhörlichem Knüppel- und Wasserwerfereinsatz der Bullen konnten wir uns gegenseitig immer wieder aufhelfen und in Sicherheit bringen. Vielleicht war es diese Solidarität gepaart mit der Wut auf die Zustände in Hamburg, die dazu geführt haben, zumindest für einige Stunden in der Schanze eine polizeifreie Zone zu schaffen. Ein Funke der Hoffnung, der zeigt, dass wir uns gegen Repression auch zur Wehr setzen können. Ein Funke der Hoffnung, dass wir uns zusammen den Platz nehmen können, in dem eine andere Gesellschaft entstehen kann. Kein Wunder, dass im Nachgang der Staat nach jedem Strohhalm greift und versucht einzelne für das zu bestrafen, was während des Gipfels in Hamburg auf der Straße passiert ist.
Solidarität ist eine Waffe
Die Angeklagten brauchen jetzt unsere Solidarität. Lasst uns gemeinsam den Prozess begleiten!