Terror in der Ausländerbehörde?! Gemeinsames Statement zu der Debatte um den Brand in der Ausländerbehörde

Auch wir haben das Gemeinsame Statement zu der Debatte um den Brand in der Ausländerbehörde unterschrieben und dokumentieren es im Folgenden:

Terror in der Ausländerbehörde?! Gemeinsames Statement zu der Debatte um den Brand in der Ausländerbehörde

Im November 2019 haben Unbekannte in Göttingen einen Brandanschlag auf die Ausländerbehörde verübt. In einem Bekenner*innenschreiben wird die Ausländerbehörde kritisiert, da diese für Abschiebungen und Ausgrenzungen verantwortlich ist. Wir als politische Gruppen, die seit langem die Politik der Ausländerbehörde als rassistische Staatspolitik kritisieren, wenden uns jetzt einige Monate später mit einem gemeinsamen Statement gegen die in der Debatte vorherrschende Selbst-inszenierung der Ausländerbehörde als „Service-Behörde“ und gegen die Gleichsetzung des Brandanschlages mit dem faschistischen Terror mordender Neonazis. Während Polizei, Stadtrat und Oberbürgermeister von linkem „Terror“ reden, wollen wir dringend von rassistischer, staatlicher Politik sprechen.

Keine Gleichsetzung von links und rechts!

Der Göttinger Polizeipräsident Uwe Lührig nutzt den Brandanschlag schon im November 2019, um von „Linksterrorismus“ zu schwadronieren. Auch der Göttinger Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD) vergleicht in seiner Rede vor der Verwaltung im Dezember 2019 den Brandanschlag mit rechtem Terror in Deutschland. Wörtlich setzt Köhler den Sachschaden im Amtshaus mit dem bewussten und gewollten Gefährden von Menschenleben durch das Anzünden von Geflüchtetenwohnheimen gleich. Eine zehnköpfige Sonderkommission zur Ermittlung wurde von der Polizei schnell eingerichtet. Die Ermittlungen wurden an die Bundesanwaltschaft übergeben, die sich u.a. mit dem NSU beschäftigt hat.

Die Gleichsetzung eines Sachschadens mit den Morden des NSU und Terrorplänen von Neonazis, Soldat*innen, Mitarbeiter*innen des Verfassungsschutzes und Polizist*innen relativieren rechte Terrornetzwerke samt staatlicher Unterstützung und Verwicklungen darin. Durch diese Äußerungen werden migrantische Menschenleben relativiert. Die Äußerungen und Vorgehensweisen zeigen, dass Politiker*innen wie Köhler gemeinsam mit der Göttinger Polizei gegen Linke, die Sachschäden begehen, viel schneller vorgehen, als gegen Neonazis, die migrantische Menschenleben gefährden.

Nein zu diesem Service!

Die Ausländerbehörde war nach dem Brand für kurze Zeit nicht arbeitsfähig. Oberbürgermeister Köhler, aber auch der Chef der Göttinger Ausländerbehörde Joachim Rogge, reagieren auf den Brand mit weiterer Schikane gegen diejenigen, die von ihrer Behörde abhängig sind: So wird Menschen die Vergabe von Visa für Familienangehörige verwehrt oder Visaverlängerungen für den Besuch im Ausland nicht ausgestellt. Darüber hinaus drohte Herr Rogge im Januar 2020 im Göttinger Tageblatt Geflüchteten damit, dass durch den Brand Duldungen nicht verlängert werden könnten, was Menschen in die Illegalität drängen würde. Die Ausländerbehörde inszeniert sich dabei als Behörde, die zwischenzeitlich ihrem „Service“ nicht mehr nachkommen konnte.

In der Ausländerbehörde werden jedoch keine an „Kund*innen“ orientierten „Serviceleistungen“ durchgeführt. Im Gegenteil werden Menschen ohne deutschen Pass auf Grund des repressiven, deutschen Ausländerrechts dazu gezwungen, regelmäßig diesen Ort aufzusuchen. Die Ausländerbehörde entscheidet, ob jemand bleiben darf. Dies bedeutet, beständig unter der Bedrohung zu leben, von den Mitarbeitenden der Ausländerbehörde die Lebensgrundlage entzogen zu bekommen. Die Ausländerbehörde setzt Sonderregelungen für Menschen ohne deutschen Pass in die Realität um. Diese Behörde ist Teil des staatlichen Rassismus, der systematisch Menschen anhand von Kategorien der Staatsbürger*innenschaft sortiert, ausgrenzt, ihren Alltag terrorisiert und Ungleichheiten schafft. Dabei werden Menschen nach Herkunftsland unterschiedlich behandelt, worin sich eine koloniale Kontinuität zeigt.

Neben dieser alltäglichen psychischen Gewalt besteht der „Service“ der Ausländerbehörde in der Umsetzung massiver, physischer Gewalt gegen Geflüchtete. Die Mitarbeitenden der Ausländerbehörde sind für die Entscheidung verantwortlich, entweder eine Duldung zu verlängern oder eine Abschiebung einzuleiten. Die Ausländerbehörde trifft dafür Absprachen mit Landeskriminalamt und der Polizei, die vermummt und bewaffnet Menschen nachts überfallartig aus dem Schlaf reißen, um sie in Länder zu verschleppen, in denen sie nicht sicher sind, beispielsweise weil dort mit deutschen Waffen Kriege geführt werden oder weil die Industriepolitik des globalen Nordens die Lebensgrundlage dort zerstört. Die Ausländerbehörde Göttingen ist zum Beispiel verantwortlich für einen nächtlichen Überfall im Oktober 2019 auf eine Göttinger Familie, bei dem mitten in der Nacht plötzlich ohne Vorankündigung die Haustür von der Polizei zertrümmert wurde, um eine Person aus der Wohnung zu holen – was zum Glück nicht gelang. Die Göttinger Ausländerbehörde trägt eine Mitschuld an dem Mord an Gani Rama, der in Pristina im Juli 2019 zu Tode geprügelt wurde, nachdem die Göttinger Ausländerbehörde ihn in den Kosovo abschob.

Die Organisation von Abschiebungen als „Service“ für Geflüchtete zu beschreiben, leugnet die systematische Gewalt, die tagtäglich in diesen Räumen stattfindet!

Respekt?!

Etwa eine Woche nach dem Brandanschlag auf das Amtshaus versammelten sich ca. 400 städtische Mitarbeitende, von Angestellten der Ausländerbehörde und dem Jobcenter bis hin zu Entsorgungsbetrieben und der Feuerwehr, unter dem Motto „Respekt!“ vor dem Neuen Rathaus.

Aber um Respekt wofür ging es dabei eigentlich? Um Respekt für die Würde und die gleichen Rechte – wie beispielsweise Bewegungsfreiheit – von allen Menschen, unabhängig von nationalstaatlichen Einteilungen?

Oder doch eher um Respekt für die Ausführung rassistischer Gesetze? Respekt für die Verfügungsgewalt darüber, ob Menschen nachts aus ihren Betten gerissen und verschleppt werden, weil sie zufällig nicht mit dem „richtigen“ Pass geboren wurden? Respekt dafür, nur Anweisungen zu befolgen und „seinen Job“ zu machen?

Laut Oberbürgermeister Köhler waren alle städtischen Mitarbeiter*innen dazu aufgefordert, sich solidarisch mit den Angestellten der Ausländerbehörde zu zeigen und gemeinsame Betroffenheit zur Schau zu stellen. Dabei ist die Arbeit in der Ausländerbehörde eben nicht das Gleiche wie die Arbeit bei den Entsorgungsbetrieben oder bei der Feuerwehr! Die Gleichsetzungen, die Köhler in seiner Rede macht, sind gefährlich. Sowohl die Gleichsetzung von sämtlichen städtischen Beschäftigten als auch die von rechts und links, die tödliche Anschläge wie den jüngsten in Hanau erschreckend relativiert.

Respekt bedeutet Bleiberecht und gleiche Rechte für alle Menschen. Respekt bedeutet auch, Menschen nicht abzuschieben!

Der Rassismus in den Köpfen und in staatlichen Strukturen muss endlich aktiv angegangen werden! Rechte Netzwerke in staatlichen Institutionen müssen aufgeklärt werden! Geistige Brandstifter*innen sind auch jene, die repressive Migrationsgesetze verabschieden und Abschiebungen anordnen. Kein weiterer Mord! Keine weitere Abschiebung!

Antifaschistische Linke International
Basisedemokratische Linke
BIPoc-Kollektiv
Bündnis gegen Abschiebung
Café Kollektiv Kabale
DerRoteFaden
Ende Gelände Göttingen
f.antifa
Freie Arbeiter*innen Union Göttingen
[femko]
GHG
NoG20-Soligruppe Göttingen
OM10
redical M
Trans*Beratung Göttingen
Yallah?!-Team

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Göttinger NoG20-Soli-Newsletter #10 (Teil 1)

Unser letzter Newsletter ist schon eine ganze Weile her, seitdem ist einiges passiert. Beispielsweise wurden direkt nach unserem solidarischen Sommerfest, am Gipfel-Jahrestag drei Menschen in Hamburg von der Parkbank weg festgenommen und der geplanten Brandstiftung beschuldigt, zwei von ihnen sitzen immer noch in Untersuchungshaft. Der Elbchausseeprozess läuft in aller Absurdität weiter, aber zumindest wurde Loic im Dezember unter Auflagen aus dem Knast entlassen. Und die Rondenbargprozesse werden voraussichtlich in diesem Jahr starten, im Herbst 2019 sind Anklageschriften an ca. 30 Aktivist*innen rausgegangen. Wie bereits mehrfach erwähnt, wurden auch Göttinger Genoss*innen bei der Demonstration am Rondenbarg festgenommen.

Außerdem wird die Klage gegen das „Vereinsverbot“ von linksunten.indymedia am Mittwoch, den 29.1. in Leipzig verhandelt und es wird zu einer Demo am Tag (i) aufgerufen. Also auf nach Leipzig am 25.1.!
Und, psst, ein Archiv von linksunten ist seit Mitte Januar online!

Wir werden uns in diesem Newsletter auf die Entwicklungen in den laufenden und anstehenden Prozessen konzentrieren. Es gibt noch einiges mehr zu berichten, aber dazu dann beim nächsten Mal!

 

Rondenbarg-Prozesse

Wir erinnern uns: am ersten Tag des G20-Gipfels in Hamburg wurde ein Demonstrationszug am Rondenbarg von der Polizei angegriffen, viele Demonstrierende schwer verletzt und über 60 Menschen festgenommen und in die GeSa verschleppt. Um diesen Polizeieinsatz zu rechtfertigen, wird händeringend versucht, möglichst viele Aktivist*innen zu kriminalisieren. Dies lief bereits beim ersten Prozess in diesem Zusammenhang, gegen unseren Genossen Fabio aus Italien, eher schlecht. Da die Richterin in Mutterschutz gegangen ist, müsste sein Prozess neu aufgerollt werden, um ihn zu einer Verurteilung zu bringen. Eine Zusammenfassung von Fabios Prozess findet ihr hier.

In diesem Jahr sollen nun die Massenprozesse gegen insgesamt bis zu 100 Aktivist*innen starten. Anfang September 2019 wurde 19 jungen Gipfelgegner*innen eine umfangreiche Anklageschrift zugesandt. [Alle waren damals 21 Jahre oder jünger und gelten damit als Jugendliche bzw. Heranwachsende.] Geplant ist, sie alle gemeinsam vor der Jugendkammer des Landgerichts Hamburg unter Ausschluss der Öffentlichkeit anzuklagen.  In diesem Zusammenhang soll auch Fabios Prozess nun neu aufgerollt werden. Dass der Prozess mit voraussichtlich mind. einem Prozesstag pro Woche und einem Jahr Dauer in Hamburg stattfindet und nicht, wie bei Jugendstrafrecht üblich, am jeweiligen Wohnort, bedeutet einen massiven Eingriff für die Jugendlichen. Damit wird den Betroffenen ein regelmäßiger Schulbesuch oder die Durchführung einer Ausbildung für die Dauer des Prozesses unmöglich gemacht. Darüber hinaus bedeutet der Ausschluss der Öffentlichkeit, dass die solidarische Begleitung der Angeklagten im Gerichtssaal unterbunden wird und dass hier Fakten geschaffen werden können, ohne dass die Öffentlichkeit einen Einblick darin hat.
Anfang Oktober erhielten dann noch 11 weitere Aktivist*innen, die nach Erwachsenenstrafrecht verfolgt werden, ebenfalls eine Anklageschrift.

Wie auch im Elbchausseeprozess beruhen die Anklagen darauf, dabei gewesen zu sein, konkrete Handlungen werden den Einzelnen nicht zur Last gelegt. Sollte diese Strategie Erfolg haben, wäre es dem Staat jederzeit möglich, für noch so kleine Vorfälle eine gesamte Demonstration zu verfolgen und zu kriminalisieren. Es geht bei den Prozessen in Hamburg also nicht nur um mögliche Strafen für unsere Genoss*innen, sondern auch um die grundsätzliche Verschärfung der Bedingungen unter denen wir auf die Straße gehen.

Gemeinschaftlicher Widerstand! – Bundesweite Kampagne gegen Repression

Gemeinschaftlicher Widerstand

 

Elbchaussee-Prozess

Im Elbchauseeprozess ist seit dem Newsletter #9 im Sommer zu berichten, dass etliche Hauseigentümer*innen, Unternehmer*innen etc. gefühlt endlos über ihre schrecklichen Erfahrungen mit Sachbeschädigungen berichteten, ganz viele Videso geschaut und wahllos weitere Zeug*innenaussagen von der Polizei mit wenig Inhalt wiederholt wurden. Der Prozess wird sich wohl bis Ende April diesen Jahres ziehen.

Für eine detaillierte Einordnung des Prozesses verweisen wir auf unsere letzten Newsletter sowie folgende Links:
Kein Verlass auf Polizeiakten, nd
Transmitter 0419, fsk

Über United we stand gibt es wie immer detaillierte Prozessberichte:
Prozessbericht-elbchaussee-vom-29-07-2019-und-30-07-2019
Prozessbericht-zum-34-tag-im-elbchaussee-prozess
Prozessbericht-elbchaussee-19-9-19
Prozessbericht-elbchaussee-20-09-19-25-09-19
Prozessbericht -elbchaussee-23-10-19-und-30-10-19

Für den Ausgang des Prozesses war das Anfang November stattfindende „Rechtsgespräch“ bislang der richtungweisende Teil der Verhandlungen. Anhand der Berichte wird deutlich, dass die Richter*innenkammer die Versammlung der rund 200 Menschen nicht als Demonstrationszug bewerten wird. Gleichzeitig wird den fünf Angeklagten eine Billigung der Schäden zugerechnet. Ein gemeinsamer gefasster großer Zerstörungsplan sei nicht zu erkennen. Uneinigkeit besteht für die Richter*innen hauptsächlich in der Bewertung des Verlassens der Versammlung sowie bei der Frage nach einer Mitschuld an den angezeigten Körperverletzungen. Alles in allem gibt diese Voreinschätzung der Prozessführenden wenig Hoffnung auf einen Freispruch der Aktivist*innen.
Elbchaussee-Prozess:Kurzbericht vom 6.11.19, unitedwestand
Zum rechtsgespräch am 6.11.19, unitedwestand

Speziell zu Loic ist zu berichten, dass er zum Ende des Jahres, nach fast anderthalb Jahren U-Haft unter Auflagen entlassen worden ist. Beiträge hierzu und eine persönliche Stellungnahme findet ihr unter den angegebenen Links:
Loics Bericht: Die Mauern niederreißen, die den Knast von der Außenwelt trennen
Elbchaussee-Randale: Letzter U-Häftling frei, NDR
Kampagne #libertepourloic
Radiointerview zu Loic, freie-radios.net

 

Die Drei von der Parkbank

In der Nacht auf den 8.7.2019 wurden drei Genoss*innen in einem Park in Hamburg-Eimsbüttel von der Parkbank weg festgenommen und daraufhin mehrere Wohnungen durchsucht. Seitdem sitzen zwei von ihnen in Holstenglacis in U-Haft, die dritte Person kam gegen Auflagen raus. Ihnen wird laut Presse die Vorbereitung einer Brandstiftung im Zusammenhang mit dem Jahrestag der Krawalle gegen den G20-Gipfel 2017 in Hamburg vorgeworfen. Die Ermittlungen werden von der Generalstaatsanwaltschaft geführt.

Derweil wird in der Springer-Presse gefeiert, dass es gelungen sei, einen „Anführer“ und „Strippenzieher“ der linken Szene gefasst zu haben. Das ist wohl der springende Punkt in diesem Verfahren, es muss jetzt also auch was rumkommen für die Ermittlungsbehörden. Und sicherlich wird dieses Verfahren und die damit zusammenhängenden Ermittlungen genutzt, um möglichst viel über alle möglichen Menschen herauszufinden. Passt also auf euch auf!
So gab es am 09.10.19 bei der dritten Beschuldigten erneut eine Hausdurchsuchung, um an Schriftproben der Gefährtin zu gelangen. Im Zuge der Razzia wurde auch ihre DNA abgenommen. Die Belästigung der Genossin und anderer Anwohner*innen macht deutlich, dass sie nach wie vor gegen Personen ermitteln und offenbar Observationen durchführen.
Infos zu DNA-Abnahmen in diesem Verfahren
Im November wurden die Anklageschriften zugestellt. Demnach werden alle drei der Vorbereitung einer schweren Brandstiftung angeklagt. Der Prozess hat nun am 8. Januar 2020 begonnen. Einen kurzen Bericht zum Hören gibt es hier.

Alle Infos könnt ihr ausführlich auf dem Soli-Blog nachlesen: Parkbank Solidarity
Dort findet ihr die Prozesstermine, aktuelle Informationen rund um die Parkbank, Soli-Aktionen, aber auch updates dazu, wie es den beiden Gefangenen geht und Briefe von ihnen.

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Göttinger NoG20-Soli-Newsletter #10 (Teil 2)

Weitere Prozesse

Gegen das Urteil in Totos Prozess geht es in das Berufungsverfahren. Er wird beschuldigt im Zuge der Welcome to hell-Demo einen Flaschenwurf auf Polizist*innen verübt zu haben, der übrigens ins Leere getroffen haben soll. Dafür hält das Gericht eine Strafe von einem Jahr und vier Monaten ohne Bewährung für angemessen. Auch hier braucht es weiterhin unsere solidarische Unterstützung.

Aktueller Stand zum Prozess gegen Toto und Spendenkonto
Gericht will Haftstrafe für Flaschenwurf nach Welcome To Hell-Demo beim G20-Gipfel, unitedwestand
Im Zeichen des Fischerhuts, taz
#freetoto: Aktueller Stand und Spendenkonto, Rote Hilfe Kiel

Ein nüchterne Bilanz zu den bisher geführten Verfahren gegen Aktivist*innen und deren Ausgang sowie eine Bilanz zur Eröffnung von Verfahren gegen Polizist*innen findet ihr hier.

 

Tag (i)

Das Verbot von linksunten.indymedia durch das Bundesinnenministerium (BMI) war eine offensichtlich vorbereitete Reaktion auf die Proteste in Hamburg im Juli 2017. Am 25. August 2017 wurde das Verbot bekanntgegeben und Razzien bei den mutmaßlichen Unterstützer*innen der Plattform und in dem linken Freiburger Kulturzentrum KTS durchgeführt. Drei Tage später ging linksunten offline. Grundlage dieser Maßnahmen war eine wilde Konstruktion des Nachrichtenportals linksunten als Verein im Sinne des Vereinsgesetzes. Dieser erfundene Verein wurde dann verboten, da Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufe und sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte.
Im April 2018 reichten die Anwält*innen der Betroffenen ihre Klage beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig ein. Die Verhandlung findet nun am 29.1. statt. Dies ist Anlass genug, erneut zu zeigen, was wir von dem Verbot halten!

Am Samstag, den 25.1.2020 auf zur Demo nach Leipzig!
17 Uhr vor dem Verwaltungsgericht, Simsonplatz 1

Demoaufruf der linksunten-soligruppe
Aktuelle Infos gibt es unter linksunten.soligruppe.org

Verbotsandrohung von de.indymedia.org – Tag (i) – Unsere Perspektive: Widerstand!

 

Archiv von linksunten.indymedia.org

Mitte Januar wurde überraschend, aber zeitlich gut zum anstehenden Prozess passend, ein vollständiges Archiv von indymedia.linksunten veröffentlicht. Das Archiv enthält alle Artikel und Kommentare wie auch alle Bilder, Videos und Audiodateien. Ein Download ist möglich und macht das Archiv auch offline auf dem eigenen Rechner verfügbar.  Da es sich um sogenannte statische HTML-Dateien handelt, ist keine weitere Software nötig.

Ankündigung bei de.indymedia.org
Archiv von linksunten-indymedia.org
Bewegungsgeschichte dokumentiert, nd

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Zusammenfassung Fabio

Aktuell sieht alles danach aus, dass 2020 die Prozesse im sogenannten Rondenbarg-Komplex starten werden. Über zwei Jahre nach der zerschlagenen Demonstration am Rondenbarg im Zusammenhang mit den NoG20-Protesten in Hamburg, sollen voraussichtlicht über 100 Personen vor Gericht gezerrt werden  – einige davon aus Göttingen. Ein erster Prozess in diesem Zusammenhang gegen unseren Genossen Fabio aus Italien ist im Februar 2018 geplatzt. An der mit Fabios Prozess eingeschlagenen Route der Staatsanwaltschaft und Gerichte dürfte sich wenig ändern. Wir wollen deswegen kurz zusammenfassen was bisher passiert ist.

Als einer von vielen wurde Fabio im Zuge der G20-Proteste am Morgen des 7. Juli 2017 am Rondenbarg in Hamburg festgenommen, wo ein Demonstrationszug von der Polizei massiv angegriffen wurde. Viele Demonstrant*innen wurden schwer verletzt und über 60 Menschen im Anschluss festgenommen. Fabio saß danach fast fünf Monate in Untersuchungshaft, obwohl ihm keine konkrete Tat – nur die reine Anwesenheit – vorgeworfen wird. Der Prozess begann Mitte Oktober 2017.

Konstruiert wurde die Anklage, u.a. wegen schweren Landfriedensbruchs, durch die Behauptung, es habe sich am Rondenbarg nicht um eine politische Demonstration gehandelt, sondern um eine Gruppe, die sich „zu Gewalt verabredet“ habe. Damit reicht die bloße Anwesenheit für eine Verurteilung aus, selbst wenn den Personen selbst keine konkreten Straftaten vorgeworfen werden. Schon das hanseatische OLG stützte diese Sichtweise in Fabios Haftbegründung auf ein Urteil des BGH aus 2017. Dass es darin um einen Überfall von Hooligans auf Fans des gegnerischen Vereins ging und das BGH die Übertragung auf Demonstrationen explizit ausgeschlossen hat, wurde dabei bewusst ignoriert. 

Das gleiche Konstrukt kommt übrigens auch beim Prozess um die Demonstration in der Elbchaussee zum Einsatz. Sollte diese Strategie Erfolg haben, wäre es dem Staat jederzeit möglich, für noch so kleine Vorfälle eine gesamte Demonstration zu verfolgen und zu kriminalisieren. Es geht bei den Prozessen in Hamburg also nicht nur um mögliche Strafen für unsere Genoss*innen, sondern auch um die grundsätzliche Verschärfung der Bedingungen unter denen wir auf die Straße gehen.

Bei Fabios Prozess kam der unbedingte Verfolgungswille nicht nur in der Dauer der Untersuchungshaft zum Ausdruck, sondern auch in den Äußerungen des Oberlandesrichters Tully während der Haftprüfung. Ohne, dass sich Fabio geäußert hätte oder gar ein Gutachten vorlag, bescheinigte der Richter dem Neunzehnjährigen „schädliche Neigungen“ und „erhebliche Anlage- und Erziehungsmängel“, „die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen würden“. Gemeint ist hier eine lange Haftstrafe.

Prozesserklärung von Fabio

Mit viel Phantasie versuchte die Polizei, die Demo im Rondenbarg als gefährlich darzustellen und dadurch ihren Einsatz zu rechtfertigen. So wurden zahlreiche Gegenstände, die neben der Demo und am Rande einer Baustelle im Gebüsch gefunden wurden, der Demonstration zugeordnet. Die Demonstrierenden sollen sich also mit Bauzaunlatten, verschiedenem Werkzeug wie Sägen und Hämmern und sogar einer Badewanne auf den Weg zur Blockade gemacht haben.

Insbesondere an die Öffentlichkeit gelangte Einsatzvideos der Polizei sorgten während des Prozesses für eine breite mediale Aufmerksamkeit. Diese Videos widerlegen eindeutig die Konstruktion eines gewalttätigen Angriffs auf die Beamt*innen. Sie zeigen dagegen, mit welcher Brutalität die Polizei gegen die Demonstrierenden vorgegangen ist.

Hier das Polizeivideo
Und ein Bericht von Panorama zu Fabios Prozess

Der Prozess gegen Fabio ist am 27.2.18 vorerst geplatzt, weil die Richterin in Mutterschutz gegangen ist. Am letzten Prozesstag wurde sehr deutlich, dass mit allen Mitteln versucht wurde, ein Abschluss des Prozesses zu erzwingen. Unzählige Beweisanträge wurden abgeschmettert und die Verschriftlichung von Funkaufzeichnungen der Polizei sowie der Ablehnungsbeschlüsse des Gerichtes abgelehnt. Die Erörterung der Frage, ob es sich am Rondenbarg um eine – grundrechtlich geschützte – Demonstration gehandelt habe und somit der Polizeieinsatz in dieser Form rechtswidrig war, wurde von der Richterin einfach als irrelevant für die angestrebte Verurteilung abgetan.

Das Platzen des Prozesses bedeutet, dass er komplett neu aufgerollt werden muss, wenn er zu einem Abschluss gebracht werden soll. Es muss ein neues Gericht (also Richter*in, Schöff*innen Staatsanwält*in) gefunden werden und dann geht das Ganze für Fabio nochmal von vorne los.

 

Weiterführende Information könnt ihr unter folgenden Links finden:
Bericht und Einschätzung vom Grundrechtekomitee
Prozessberichte bei United wie Stand

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Impressionen vom aktionistischen Sommerfest 2019

Gemeinsam mit vielen Gruppen und Initiativen aus Göttingen haben wir am 5.7.19 anlässlich des NoG20-Jahrestages einen aktionistischen und solidarischen Nachmittag gestaltet. Es gab Waffeln vom A-Café, ganz viel Infomaterial zum Stand der G20-Repression und von Gö8 gegen G20, allgemeine Antirepressions-Infos von der Roten Hilfe, Spiel und Spaß u.a. von Rabatz&Anarchismus sowie kämpferische Lieder vom Chorkollektiv. Sowohl der Buchladen unseres Vertrauens als auch die Knast-Soli-Gruppe Göttingen waren mit Lesestoff vor Ort. In Workshops wurde gesprayt und Menschen konnten bei einer offenen Probe von Rhythms of Resistance mitmachen. Gegen Abend hat die Soli-Küche den Grill angschmissen und seinen Ausklang fand der gelungene Tag mit einem Konzert im JuZI mit Schrottvogel und Kalmen Rossbreiten.

Vielen Dank an alle, die mitgeholfen haben, das solidarische Sommerfest mit Leben zu füllen und vor allem auch an linksunten Göttingen für die – wie immer – sehr schicken Bilder! Hier findet ihr alle Bilder vom Sommerfest.

Wir wollen damit Loic und allen anderen, die aktuell oder in Zukunft von der G20-Repression betroffen sind, zeigen, dass sie nicht vergessen sind! Dass wir auch zwei Jahre danach nicht vergessen haben, dass der Staat immer noch versucht, Einzelne für die entschiedenen Gipfelproteste büßen zu lassen! Ihr seid – auch Jahre später – nicht allein! 

Solidarität ist eine Waffe! United we stand!

Aktionistisches Sommerfest

 

 

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Göttinger NoG20-Soli-Newsletter #9

Zwei Jahre ist der Gipfel in Hamburg nun her und die Repression reißt immer noch nicht ab. Der Widerhall in der Öffentlichkeit ist nicht mehr so groß. Dennoch finden weiterhin regelmäßig Razzien, Öffentlichkeitsfahndungen und andere Schweinereien mit G20-Bezug statt. Erst diese Woche startete die sechste Öffentlichkeitsfahndung. Die Prozesse sind ebenfalls in vollem Gange.

Dies zeigt, dass praktische Solidarität nach wie vor dringend notwendig ist! Im Rahmen von bundesweiten Aktionstagen machen wir am Freitag, den 5.7. ein aktionistisches Sommerfest rund ums JuZI. Unterschiedliche Gruppen laden euch zu Sprayworkshop, Infoständen, Grillen und Waffeln, Wurf-Action, Rhythms of Resistance-Workshop, Chor-Auftritt, Soli-Foto, Konzert und noch einigem mehr ein! Hier gibt’s das Programm.

Wir haben euch den aktuellen Stand bei den laufenden G20-Prozessen zusammengetragen, mit Schwerpunkt auf dem Elbchaussee-Prozess. Außerdem werfen wir einen kurzen Blick nach Osaka, wo am Wochenende der diesjährige G20-Gipfel stattgefunden hat. Der nächste Gipfel wird das Treffen der G7-Staaten in Biarritz (Baskenland) sein. Auch dort wird Widerstand organisiert (Aufruf auf deutsch)!

 

Elbchaussee-Prozess:

Zur Erinnerung: Im Dezember 2018 begann der Prozess gegen fünf Menschen, denen die Anwesenheit an der Elbchaussee am Morgen des 7. Juli 2017 vorgeworfen wird. Sie sollen für alle dort entstandenen Sachschäden zur Verantwortung gezogen werden. Nach dem Willen der Staatsanwaltschaft soll die bloße Anwesenheit und die dadurch geleistete „emotionale Unterstützung“ für eine Verurteilung mit einem angestrebten Strafmaß von bis zu zehn Jahren Haft reichen. Sollte diese Strategie Erfolg haben, wäre es dem Staat jederzeit möglich, für noch so kleine Vorfälle eine gesamte Demonstration zu verfolgen und zu kriminalisieren. Es geht beim aktuellen Prozess in Hamburg also nicht nur um mögliche Haftstrafen für unsere Genossen, sondern auch um die grundsätzliche Verschärfung der Bedingungen unter denen wir auf die Straße gehen.

Hier eine Zusammenfassung zum Prozessbeginn. Und einige allgemeine Einordnungen des Prozesses:
Liberal war einmal, derFreitag
Angriff auf den Brokdorf-Beschluss, nd
Einordnung des Elbchaussee-Prozesses vom FSK
Der sogenannte Elbchaussee Prozeß, freie-radios.net
Sie waren eben dabei, SZ
Sowie ein Video zum Prozessauftakt vom Medienkollektiv Frankfurt.

Einer der Kriminalisierten – Loïc aus Frankreich – sitzt seit seiner Auslieferung nach Deutschland im Sommer 2018 in Untersuchungshaft. Ein erneuter Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls bzw. auf Haftverschonung wurde Ende Juni abgelehnt. Trotz WG-Zimmer in Hamburg, Angebot einer Kautionszahlung und Meldeauflagen bestehe ein starker Fluchtanreiz, da er Teil einer internationalen Vernetzung der radikalen Linken sei.

Can und Halil aus Frankfurt am Main saßen ebenfalls über ein halbes Jahr in Untersuchungshaft. Sie wurden Mitte Februar entlassen. Zum einen ließ sich die angebliche Fluchtgefahr nicht mehr belegen. Zum Anderen ging der Freilassung eine Einlassung der vier Angeklagten aus Frankfurt/Offenbach voraus. Hier ein Statement von United we Stand FFM/OF dazu.

Der Prozess läuft für die Staatsanwaltschaft allerdings nicht wie gewünscht. Durch den Ausschluss der Öffentlichkeit Anfang Januar konzentrierten sich die Medienberichte zum Prozessverlauf auf zwei öffentlich gewordene Ereignisse:

Ende April wurde immer offensichtlicher, dass die Polizeiakten und -beweise vor allem aus „Arbeitshypothesen“ und „suggestiven Bearbeitungen“ bestehen. So dass die Richterin entschied, die Zeug*innen selbst zu vernehmen und sich nicht mehr auf die polizeilichen Aussagen und Vermerke zu verlassen. Nach NDR Recherchen sollen Zeug*innen Aussagen, die die Polizei in den Ermittlungsakten vermerkt hatte, in der Hauptverhandlung entschieden bestritten haben. Polizeivermerke wurden demnach gar als „Quatsch“ bezeichnet; die Zeug*innen beteuerten, sie hätten solche Aussagen nie gemacht. Das bedeutet, dass der Prozess wesentlich länger dauern wird als anfangs angenommen. Bisher sind Verhandlungstermine bis Ende September angesetzt.
Richter zweifeln an Polizeiarbeit, NDR
Suggestiver Quatsch, jungle.world
Zwischenbericht zum Elbchaussee-Prozess // Die Anklage wackelt, Rote Hilfe ffm

Wer sich näher mit der Qualität der Bullenaussagen und dem Prozessverlauf generell beschäftigen möchte, kann dies mit den Prozessberichten von United we stand tun:
Prozessbericht 14. bis 22. April 2019
Prozessebricht 4. und 5. April 2019
Prozessbericht 26. April 2019
Prozessbericht 2. und 3. Mai 2019
Prozessbericht 19. und 20. Juni 2019
Prozessbericht 26. Juni 2019

Mitte Juni versuchte die Staatsanwaltschaft es dann mit einem erneuten Befangenheitsantrag gegen die zuständigen Richter*innen. Als Anlass dafür nahm sie Telefonate der Richterin mit Anwält*innen der Angeklagten, in denen es um Planungen der nächsten Verhandlungstermine ging. Die Richter*innenkammer passt der Staatsanwaltschaft in ihrem unbedingten Bestrafungswillen offensichtlich nicht. Allerdings ist auch dieser Versuch, sie loszuwerden, gescheitert. Wäre dem Antrag stattgegeben worden, hätte der Prozess mit anderen Richter*innen von vorne beginnen müssen.
Richterin doch unbefangen, taz
Staatsanwaltschaft wird umstrittene G20-Richterin nicht los, Spiegel online
Staatsanwaltschaft will G20-Prozess platzen lassen, Spiegel online
G20-Randale auf Elbchaussee: Prozess wird fortgesetzt, NDR

Liberté pour Loïc!
La neige sur hambourg

Kommt zum Solifoto für Loïc am Freitag (5.7.2019) um 20.45 Uhr!

 

Weitere Verfahren

Noch im Januar konnte das Berufungsverfahren gegen den Aktivisten Patrick für beendet erklärt werden. Die Staatsanwaltschaft hatte Berufung eingelegt,  nachdem der Prozess in der ersten Instanz aufgrund von vielen Widersprüchen zugunsten des Angeklagten mit einem Freispruch endete. Und: mensch mag es nicht glauben, auch in zweiter Instanz ließ sich nichts daran ändern!

Peikes Berufungsverfahren dauerte etwa ein Jahr an und wurde ebenfalls im Januar mit einem Jahr Haft und neun Monaten auf Bewährung für beendet erklärt. Details zum Verlauf gibt es hier. Peikes Verurteilung war unter dem Hardliner Richter Krieten nach nur einem Prozesstag ergangen. Der Verurteilungswille in zweiter Instanz war ähnlich stark, wie der Ausgang vermuten lässt.

Im Februar ist ein weiterer Aktivist freigesprochen worden, der bei der Welcome to hell Demo wegen eines vermeintlichen Dosenwurfs auf die Bullerei festgenommen wurde. Ein Videobeweis war hier ausschlaggebend für die Entscheidung der Richterin.

Ende Mai wurde ein Verfahren, in dem die Aussage eines Tatbeobachters für die Festnahme bzw. Anklage einer Person zentral war, mit einem Freispruch beendet. Innerhalb dieses Verfahrens zeigte sich einmal mehr, dass die Bemühungen der Verfolgungsbehörden, G20-Gegenproteste zu kriminalisieren, auf nichts als Falschaussagen und Willkür der Polizei beruhen.

Zum ersten eingestellten Gruppenprozess von Lucy, Lieke und Paul gibt es weiteren Lesestoff. Im Readerformat wird über die in der Öffentlichkeit als besonders brutal hervorgehobene Entführung der Aktivist*innen, die Soligruppenarbeit bis hin zum eingegangen Deal mit der Staatsanwaltschaft reflektiert.

Im Zuge einer solidarischen Videokundgebung zu Polizeigewalt während des G20 wurden drei Berliner Aktivist*innen von der Polizei herausgegriffen. Anfang Mai wurde das erste Verfahren eröffnet und endete unter enormen Druck am gleichen Tag. Berufung ist aktuell eingelegt. Infos zum genauen Ablauf und wichtige Themen rund um den Prozesswahnsinn gibt es hier.

Viele Verfahren sind noch offen und werden von uns weiterverfolgt. Eine recht kompakte Zusammenstellung zu den gesamten Tatvorwürfen bzw. eröffneten Verfahren gegen politisch Aktive während des G20 sowie deren Ausgang findet ihr in diesem Artikel.

 

Hausdurchsuchungen kennen wir schon! Öffentlichkeitsfahndungen und Überwachung auch …

In den letzten Monaten gab es erneut zahlreiche Razzien im Zusammenhang mit NoG20. Wir gehen davon aus, dass diese Auflistung nicht vollständig ist.
Im Februar gab es eine Razzia in Hannover sowie weitere in Hamburg, Schleswig-Holstein und NRW, von denen im einen Fall acht Menschen betroffen waren, im anderen fünf.
Dirigent mit Klobürste, taz
Im Mai waren vor allem Menschen aus Hamburg und Umgebung von weiteren Razzien betroffen.
Razzien am 7. Mai, EA Hamburg

Hier gibt’s übrigens Hinweise zum Umgang mit Razzien als Hörspiel!

Auch von außen werden linke Läden und Wohnprojekte überwacht. In Hamburg wurde erneut ein Fall öffentlich: Das Auge der Colaflasche, taz

Seit Dienstag, den 2.7.2019 läuft eine erneute Öffentlichkeitsfahnung, das ist dann die sechste. Es wurden 13 neue Bilder veröffentlicht. Im März hatte die „EG Schwarzer Block“ nochmal 66 Menschen an den öffentlichen Pranger gestellt. Insgesamt wurden damit bisher über 400 Fotos von Menschen veröffentlicht.
Nicht die Hinweise zum Umgang mit solchen Fahndungen vergessen, falls ihr euch die Bilder angucken wollt!

Und dabei nutzt die Hamburger Polizei die umstrittene Gesichtserkennungssoftware weiterhin, trotz anhängiger Klage des Datenschutzbeauftragten.
G20-Krawalle: Senat muss Rechtsgrundlage für Gesichtserkennung schaffen, heise online
Bundesdatenschutzbeauftragter mahnt Zurückhaltung bei Gesichtserkennung an
 

NoG20 in Japan

Leider fand auch in diesem Jahr das G20 Treffen statt, diesmal in Osaka. Mangels Sprachskills können wir letztlich nur einen kleinen Einblick in die Protestbewegung geben. Der Abschirmungsapparat aus militärischen und polizeilichen Kräften war ähnlich hoch angesetzt wie in den letzten Jahren. Deutschsprachige Medien berichten von einer wenig ausgeprägten Protestkultur in Japan, die Begründungen erscheinen teilweise sehr stereotyp. Macht euch also lieber selbst ein Bild und achtet in den kommenden Wochen auf weitere Artikel zu den Protesten.

 

Wir sehen uns am Freitag am JuZI!

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Aktionistisches Sommerfest am 5.7. ab 16 Uhr ums Juzi

* Solidarität mit den Angeklagten in G20_Gerichtsprozessen! *

Am 6. und 7. Juli jährt sich der G20-Gipfel in Hamburg zum zweiten Mal. Noch immer sitzen Menschen deswegen im Knast. Noch immer laufen Verfahren. Und noch immer sind viele Anklagen gegen Menschen noch nicht fallengelassen worden – so auch bei einigen Göttinger*innen, die in Rondenbarg festgenommen worden sind. Es ist daher leider wahrscheinlich, dass nach dem Elbechaussee-Prozess weitere Prozesse zum Komplex Rondenbarg folgen werden, die u.a. die „Gö8“ betreffen.

Aus Anlass des Jahrestages rufen die bundesweiten Solistrukturen zu Aktionstagen auf. Den Aufruf könnt ihr auf unserer Homepage nachlesen.

In Göttingen wird es am Freitag, den 5. Juli ab 16 Uhr ein aktionistisches Sommerfest rund ums Juzi geben. Unterschiedliche Gruppen laden euch zu Sprayworkshop, Infoständen, Grillen und Waffeln, Wurf-Action und vermutlich noch einigem mehr ein.
Um 20:45 soll ein Solifoto für Loic – einem der Angeklagten im Elbchausseeprozess, der noch immer (seit mittlerweile 10 Monaten) in Untersuchungshaft sitzt – entstehen.
Ab 21 Uhr gibt es ein Soli-Konzert und Theke. Das Programm haben wir unten aufgelistet…

Bringt euch, gute Laune und Ideen mit!
Solidarität ist eine Waffe. Und wir wissen ganz genau, wie man sie benutzt!

Näheres zu den Prozessen und den Repressionen nach G20 findet ihr auch auf der Seite von united we stand Hamburg.

Programm:
ab 16h   – Infostände, den Gefangenen schreiben, Wurf-Action, Waffeln essen, Buttons machen,…
16h         – Spray-Workshop
17:15h   – Das Chorkollektiv singt
18h        – Die Soli-Küche schmeißt den Grill an
19h        – Workshop mit Rhythms of Resistance
20:45h – Solifoto für Loic
21h        – Konzert mit Schrottvogel (Modular Post Kraut aus Oldenburg) und Kalmen Rossbreiten (Geräauschmusik aus Bremen)

 

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Von Hamburg nach Biarritz: United we Stand!

Aufruf zu dezentralen Aktionen am 6. und 7. Juli 2019 in Solidarität mit allen von Repression betroffenen.

Bereits zwei Jahre liegen die Demos, die Rauchsäulen, die Scherben und die Sirenen des G20 in Hamburg zurück. Trotz der massiven Polizeigewalt überwiegt die Erinnerung an befreiende Momente und Augenblicke greifbarer Hoffnung, die ihren Ausdruck in der Wut von Zehntausenden fand.

Unite against repression

Die massive Repression äußerte sich nicht nur durch Polizeigewalt während des Gipfels, sondern geht weiter: in Form von Überwachung, Fahndungen, Diffamierungen, Geldstrafen und Freiheitsentzug für viele unserer Freund_innen.

Unsägliche Haftbedingungen und eine politische Justiz, die bereits direkt nach dem Gipfel absurde Haftstrafen verhängte, sind die brutale Retourkutsche für einen gescheiterten Gipfel. Die Eskalation und Zerschlagung freiheitsrechtlicher Grundsätze war unübersehbar.

Im Dezember 2018 begannen die „Elbchaussee-Prozesse“, in denen vier junge  Menschen aus Offenbach und der noch immer in Untersuchungshaft eingesperrte Dichter Loic S. aus Frankreich für eine Reihe zerstörter Autos und Fensterscheiben am Rande einer Demonstration in Altona büßen sollen. Zu allem Überfluss wird unsere „erziehungsschädliche“ Solidarität mit den Angeklagten als Begründung benutzt, um den Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu halten.

Nicht nur wegen der Elbchaussee, auch infolge des Barrikadenfestes in der Schanze, der Vorabenddemo am Hafen und der Knüppelorgie am Rondenbarg gibt es laufende und anstehende Prozesse gegen unsere kämpfende Bewegung. Nach wie vor gilt es, unsere Solidarität sichtbar und
hörbar zu machen.

Unite to resist

Doch der Widerstand in Hamburg war und bleibt angesichts der andauernden globalen Krise der kapitalistischen Maschinerie in seiner ganzen Breite legitim. Wir werden uns  auch von kommenden autoritären Gesetzen und einem gewaltsamen Rechtsruck nicht einschüchtern lassen. Mehr denn je geht es darum, sich gegen die ökonomische Unterdrückung und Ausbeutung, das umweltpolitische Desaster, rassistische und antifeministische Hetzer_innen zu wehren.

In diesem Jahr hat Macrons Frankreich den Vorsitz der G7 inne. In einem Klima wachsender sozialer Spannungen und entsprechender Repression wird auch der Gipfel in Biarritz Ende August 2019 zu energisch Protest führen.
Bauen wir die grenzüberschreitende Solidarität auf! Fahren wir fort mit dem Kampf für die solidarische Gesellschaft und gegen die Gipfel der Herrschenden!

Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel! Unsere Solidarität gegen ihre Herrschaft!
Das Bündnis bundesweiter Solistrukturen gegen G20 ruft dazu auf, zum zweiten Jahrestag der Gipfelproteste in Hamburg am 6. und 7. Juli 2019 ein Zeichen zu setzen. Organisiert euch, ob in Stadt oder Hinterland, und werdet aktiv!

Solidarität ist unsere Stärke! Von Hamburg bis nach Biarritz: United we Stand!

In Göttingen wird es Anlässlich diesen dezentralem Aktionstag am Freitag, den 5. Juni ein aktionistisches Sommerfest ab 16 Uhr in und ums JuzI geben. Unter anderem findet ein Graffiti-Workshop statt, es wird solidarische Essensstände und Infostände rund ums Thema geben, es wird solidarische Aktionen wie ein Solifoto geben und Abends ein Konzert…., das Programm werden wir noch veröffentlichen.

Wenn euch noch was einfällt, was ihr gerne am Aktionstag in Göttingen machen oder anbieten wollt, könnt ihr euch gerne auch bei uns (goe_nog20_soli@riseup.net) melden zwecks Koordinierung! 😉

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Stand der Repression nach G20 | 04.05.2019 | Juzi

Infoveranstaltung zum Stand der Repression nach G20

Samstag | 04.05.2019 | 18 Uhr | Juzi, Bürgerstraße 41, Göttingen
mit EA Hamburg & EA Freiburg

Neben einem kurzen Einblick in den aktuellen Stand der Repression gegen Genoss_innen aus Göttingen, werden Genoss_innen vom EA Hamburg und EA Freiburg uns vom aktuell laufenden Elbchaussee-Prozess berichten, über den Stand der Repression gegen indymedia linksunten erzählen und uns einen Überblick über die G20 Repression fast zwei Jahre nach G20 in Hamburg geben.

 

Experience Solidarity

Loïc aus Frankreich sitzt seit seiner Auslieferung nach Deutschland im Sommer 2018 in Hamburg in Untersuchungshaft. Can und Halil aus Frankfurt am Main saßen über ein halbes Jahr in Untersuchungshaft. Zusammen mit zwei weiteren Genossen wird ihnen vorgeworfen, während der G20-Proteste 2017 bei den Riots in der Elbchaussee „dabei gewesen“ zu sein. Bei dem Mitte Dezember vor dem Hamburger Landgericht gestarteten, groß angelegten Prozess, versucht sich der Staat für die Proteste beim G20-Gipfel zu rächen.

Kriminalisierung von linken Protesten

Nachdem mit dem Prozess gegen Fabio vor etwa einem Jahr der Versuch zunächst gescheitert ist, die bloße Teilnahme an der Demonstration am Rondenbarg als Straftat zu verfolgen, wird das Demonstrationsrecht im ersten Elbchaussee-Prozess erneut massiv angegriffen. Maßgeblich soll die bloße Anwesenheit und die dadurch geleistete „emotionale Unterstützung“ für eine Verurteilung mit einem angestrebten Strafmaß von bis zu zehn Jahren Haft reichen. Die Staatsanwaltschaft will die fünf Angeklagten für alle Sachbeschädigungen in der Elbchaussee zur Rechenschaft ziehen. Dementsprechend besteht die Anklageschrift vor allem aus einer detaillierten Beschreibung beschädigter Autos sowie einer Handvoll Indizien, dass die Beschuldigten irgendwie vor Ort gewesen sein sollen. Obwohl es keinerlei polizeiliche Foto- oder Videoaufnahmen von den Geschehnissen gibt, basieren die Vorwürfe – Brandstiftung, schwerer Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung – auf einem „Bewegungsprofil“, das die Polizei erstellt haben will.
Sollte diese Strategie Erfolg haben, wäre es dem Staat jederzeit möglich, für noch so kleine Vorfälle eine gesamte Demonstration zu verfolgen und zu kriminalisieren. Es geht beim aktuellen Prozess in Hamburg also nicht nur um mögliche Haftstrafen für unsere Genossen, sondern auch um die grundsätzliche Verschärfung für die Bedingungen unter denen wir unsere Meinung und Protest auf die Straße tragen. Dieses Instrument zur Kriminalisierung ganzer Demonstrationen reiht sich ein in die Verschärfung der Polizeigesetze, die Ausweitung der Überwachung, die Verschärfung von Strafen für Bagatelldelikte auf Demonstrationen und dem Verbot von indymedia.linksunten. Wir aber lassen uns nicht spalten in ihre Kategorien von friedlich und nicht-friedlich. Wir werden uns immer wieder das Recht nehmen für unsere Ziele mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln auf die Straße zu gehen.

Wir sind alle erziehungsschädlich

Zu allem Überfluss findet der politische Prozess um die Geschehnisse in der Elbchaussee nun bis zu den Plädoyers hinter verschlossenen Türen statt: ohne die Möglichkeit, diesen öffentlich zu begleiten und die Betroffenen während der Gerichtstermine solidarisch zu unterstützen. Die Begründung für den Ausschluss der Öffentlichkeit zeigt die autoritäre Gesinnung der Justiz und könnte perfider kaum sein: Nach Auffassung des Gerichts sei die vor und während der Verhandlung gezeigte Solidarität mit den zur Zeit des G20-Gipfels noch jugendlichen Angeklagten „erziehungsschädlich“. Insbesondere wird sich auch auf die Empfehlung zur Aussageverweigerung durch die Rote Hilfe bezogen. So steht Loïc die weiteren Prozesstage (mind. bis September 2019) nun ohne die Chance vor Gericht, wenigstens kurz Freund*innen und solidarischen Menschen zu sehen.

Ein Funke der Hoffnung

Mit dem Ruf nach harten Strafen soll von dem abgelenkt werden, worum es 2017 in Hamburg eigentlich ging: zehntausende Menschen haben gezeigt, dass sie nicht bereit sind, die menschenverachtende und auf Profite ausgerichtete Politik der G20 einfach hinzunehmen. Trotz aller Versuche von Hamburgs Innensenator Grote und Co, die Proteste einzuschüchtern und zu verhindern, trotz Hetze und widerrechtlicher Campräumungen im Vorfeld und trotz massiver Polizeigewalt sind wir tagelang mit unterschiedlichen Mitteln auf die Straße gegangen. Mit unserem Protest haben wir den G20 nicht nur die Show gestohlen, sondern auch verhindert, dass sich Deutschland mit dem Gipfel wie geplant in Szene setzen konnte. Außerdem blitzte im Zusammenspiel der unterschiedlichen Protestformen und der erlebten und gelebten Solidarität untereinander, die Ahnung einer anderen, befreiten Gesellschaft durch. So wurden zum Beispiel fehlende Camps durch geöffnete Schauspielhäuser, Kirchen und Vorgärten ersetzt. Zahlreiche Menschen haben ihre Klingeln markiert, um den Weg zu einem Rückzugsraum zu weisen. Kostenlose Essensstände boten an jeder Ecke die Möglichkeit neue Kraft zu tanken. Demosanis wie auch das Legalteam haben Unmögliches geleistet und trotz unaufhörlichem Knüppel- und Wasserwerfereinsatz der Bullen konnten wir uns gegenseitig immer wieder aufhelfen und in Sicherheit bringen. Vielleicht war es diese Solidarität gepaart mit der Wut auf die Zustände in Hamburg, die dazu geführt haben, zumindest für einige Stunden in der Schanze eine polizeifreie Zone zu schaffen. Ein Funke der Hoffnung, der zeigt, dass wir uns gegen Repression auch zur Wehr setzen können. Ein Funke der Hoffnung, dass wir uns zusammen den Platz nehmen können, in dem eine andere Gesellschaft entstehen kann. Kein Wunder, dass im Nachgang der Staat nach jedem Strohhalm greift und versucht einzelne für das zu bestrafen, was während des Gipfels in Hamburg auf der Straße passiert ist.

Solidarität ist eine Waffe
Die Angeklagten brauchen jetzt unsere Solidarität. Lasst uns gemeinsam den Prozess begleiten!

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Interview mit den Betroffenen der Razzien 2017 und 2018 in Göttingen

„Es können sich einfach nicht alle wirklich vorstellen, was das heißt.“

Wir haben mit einigen Aktivist*innen gesprochen, die von den Razzien im Dezember 2017 und Juni 2018 in Göttingen betroffen waren. Unsere Gesprächspartner*innen waren entweder selbst Ziel der Durchsuchung oder haben die Durchsuchung als Mitbewohner*innen erlebt. Andere waren zwar Ziel der Durchsuchung, aber selbst nicht vor Ort und mussten das Geschehen aus der Ferne verfolgen. Wir wollten wissen, wie sie die Durchsuchungen erlebt haben, was aus den geklauten Sachen geworden ist und welche Folgen die Razzien hatten und vielleicht bis heute haben.

Die Durchsuchten sollen im Zusammenhang mit den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg diverse Straftaten begangen haben. Die Vorwürfe reichen dabei von „schwerem Landfriedensbruch“ über die „Teilnahme an einer gewalttätigen Demonstration“ bis hin zu „versuchter schwerer Körperverletzung“. Dazu kamen in einigen Fällen Vorwürfe im Zusammenhang mit einem vorgeblichen Angriff auf den Neonazi Lars Steinke im März 2018.

In dem Gespräch hat sich erneut gezeigt, wie wichtig und hilfreich ein solidarischer Umgang sowohl im Vorfeld als auch während und nach einer Hausdurchsuchung ist.

Überfall im Morgengrauen

Bei den Razzien in Göttingen gab es viele Gemeinsamkeiten, die noch einmal deutlich machen, worum es dabei tatsächlich ging: Einschüchterung und Kriminalisierung.

In allen Fällen ging die Polizei überfallartig vor. Morgens um sechs wurden direkt die Türen aufgebrochen, es wurde nicht geklingelt.

„Um sechs Uhr gab es einen riesen Krach, sie haben mehrmals „Polizei, Polizei“ gerufen. Auf einmal schlug meine Zimmertür auf und vier Bullen kamen rein, alle vermummt. Sie haben mich aus dem Bett geholt, mir dabei den Arm verdreht und mich dann gezwungen, mich an den Schreibtisch zu setzen.“

Auch andere berichteten vom brutalen Vorgehen der Polizei: „… dann sind die rein und wir wurden praktisch an die Wand geklatscht und durften uns nicht mehr bewegen.

Nur in einem Haus gelang es gerade noch, die Tür aufzumachen, bevor sie von den Beamt*innen zerstört werden konnte. In einer anderen Wohnung wurde dieser Versuch brutal verhindert: „Ein Mitbewohner hat dann gleich gerufen ‚Wir haben einen Schlüssel, nicht die Tür einrammen, wir haben einen Schlüssel und machen auf!‘ Also das war eine Glastür, man sieht, wenn jemand dahinter steht und die Tür aufmachen will. Den haben sie dann mit dem Rammbock trotzdem weggeknallt“.

Bei denjenigen, die aus dem Bett geholt wurden, setzte sich die Schikane damit fort, dass sie sich lange Zeit nicht anziehen durften. Ein Betroffener berichtet: „Ich musste eineinhalb Stunden nur in Unterhose abwechselnd in der Küche und in meinem Zimmer sitzen. Ich wurde auch nochmal durchsucht, obwohl ich nur eine Unterhose an hatte …“

Außerdem fiel bei allen Durchsuchungen auf, dass sich die Cops offenbar in den Wohnungen auskannten. Sie wussten genau, wohin sie wollten, also welches die Zimmer der Betroffenen waren bzw. wie sie unbemerkt zur Terrassentür gelangen.

„Bei mir wussten sie auf jeden Fall ganz genau, wer wo wohnt. Ich wohne nicht in einem Studi-Werk-Haus, das heißt, sie haben das auf jeden Fall schonmal beobachtet, anders kann ich mir das nicht erklären. Bei mir sind sie direkt mit vier Bullen vermummt ins Zimmer gestürmt, während bei den anderen Mitbewohnis erstmal geklopft wurde.“

Der Überfall der Polizei endet in vielen Fällen jedoch nicht mit der Durchsuchung der Personen, sondern auf der Polizeiwache. Die Personen werden gerne mal im Anschluss zur ED-Behandlung verschleppt. In der Hoffnung, dass die Durchsuchung gleich vorbei sei, beschreibt einer der Betroffenen, was sich abgespielt hat:

„Die wollten mich eigentlich direkt in der Wanne mitnehmen. Sie waren mit den Kellerräumen fertig und auf einmal zogen sie sich dann Handschuhe an. Ich denke nur noch: Scheiße, was geht da ab?! Der Anwalt ist dann dazwischen und hat gefragt, was das werden soll. Sie sagten: Der muss jetzt mit! Ich habe aufgehört zu denken und nur auf meinen Anwalt geguckt und gehofft, dass er da irgendwas macht. Eigentlich dachte ich, ich bin gleich frei und dann kam das. Er hat dann ausgehandelt, dass ich „freiwillig“ innerhalb von 20 Minuten bei denen auftauche. Ich war rechtzeitig da, auch mit vielen Leuten, die mich begleitet haben, was echt cool war, aber die Bullen waren zu spät und ich musste noch 15 Minuten warten.“

Tatort in Göttingen, oder was?!

Öffentlichkeitswirksam war bei allen Durchsuchungen ein enormes Polizeiaufgebot im Einsatz. Vor den Häusern bestimmten vermummte Cops mit den dazugehörigen Transportmitteln das Straßenbild. Damit soll ein Signal an Nachbarschaft, Presse und alle, die zufällig vorbeikommen, gesendet werden: Hier wird gegen schwerkriminelle, gefährliche linke Gewalttäter*innen vorgegangen. Die Reaktion, die damit hervorgerufen werden soll, zeigt sich auch in Äußerungen wie: ‚Da wird ja schon was gewesen sein, wenn da so viele Polizisten auflaufen!‘, die sich eine der Betroffenen anhören musste. Auch das ist als Teil der Einschüchterungsstrategie zu sehen. Und als Versuch, die Betroffenen in ihrer Nachbarschaft zu stigmatisieren.

„Es war immer so komisch, wenn ich durchs Fenster geguckt habe und überall waren Polizisten. Wenn du das Fenster aufmachst, glotzen die da gleich durch.“

Bei einer der Durchsuchungen gingen die Bullen sogar noch einen Schritt weiter:

„In der Straße ist auch eine Schule. Da sind also Gruppen von Fünft- und Sechstklässlern die Straße hochgelaufen, vorbei an den vermummten Polizist*innen und alles war voller Wannen. Später wurde uns erzählt, dass die Cops sogar vermummt und bewaffnet einfach in der Schule ein und aus gegangen sind, vermutlich um auf Toilette zu gehen …“

In ihrer Nachbarschaft haben die Interviewten ganz unterschiedliche Reaktionen erlebt, die meisten waren freundlich bis solidarisch:

„Eine Nachbarin kam direkt danach und wollte aufräumen helfen. Nachdem die ganzen Cops endlich weg waren, kamen plötzlich ganz viele Leute mit Brötchen vorbei.“

„Manche Leuten kamen ganz aufgeregt und dachten, es sei etwas ganz schlimmes passiert.“

„Bei uns haben manche gefragt, ob der Tatort da gerade gedreht wird. Es war halt an dem Tag, an dem auch der Tatort in Göttingen gedreht wurde.“

„Aber die Strategie der Polizei ist nicht aufgegangen: Unsere Nachbarn hassen uns jetzt nicht und niemand hat jetzt Angst vor uns. Unsere Straße wird nicht gemieden, unser Haus hat nicht an Wert verloren …“

Und auch die Vermieter*innen reagierten eher gegenüber der Polizei und deren aggressiven Vorgehen mit Unverständnis, als dass sie ihren Mieter*innen einen Vorwurf machten:

„Nach vier Monaten wurde die zerbrochene Haustürscheibe ersetzt. Dafür kam auch eine Gutachterin von der Polizei. Die Vermieterin war auch dabei und hat gefragt ‚Warum haben sie das gemacht? Sind sie blöd, oder was?!‘ Das war echt cool, ‘ne starke Reaktion!“

Die Spinnen, die Bullen, die Schweine

„Unser Treppenhaus war zugeschissen mit Bullen, das war so voll, irgendwann standen sie sich gegenseitig auf den Füßen. Dann hieß es Rückzug, die Hälfte von denen musste wieder raus. Es war totales Chaos. […] Im Treppenhaus hatten sie die Helme irgendwann abgenommen, aber sie waren die ganze Zeit vermummt. Man hat total gemerkt, wie die einen hassen und nach irgendwas suchen, was ihnen einen Grund gibt. In den Augen sah man Verachtung und vor allem auch Hohn.“

Ähnliches zeigte sich auch bei einer anderen Durchsuchung:

„Manche Cops waren super aggressiv, weil sie einfach das Feindbild links haben. Das merkte man daran, wie sie einen angucken, wie sie einen anfassen. Ich wurde mehrmals noch gegen die Wand geschubst oder am Kragen gepackt, wenn ich irgendwo langgegangen bin. Es gab viele solcher kleinen Situationen, wo ich dann selber total aggressiv geworden bin.“

Dass die Durchsuchungen weniger dem Auffinden irgendwelcher Beweise dienen sollten, sondern mehr als Strafaktion gegen die Aktivist*innen gedacht waren, wurde nicht nur immer wieder im Verhalten der eingesetzten Bullen deutlich. Eine klare Anweisung, was denn nun gesucht bzw. beschlagnahmt werden sollte, hatte es offensichtlich nicht gegeben, so dass es während der Durchsuchungen immer wieder zu absurden Situationen kam.

„Manchmal hat man sich gefragt, was sie da eigentlich tun. Bei einer SD-Karte haben sie sich gefragt, was denn das für ein Stück Plastik ist. Dafür haben sie eine Plastikkamera mitgenommen, die offensichtlich ein Requisit, ein Kinderspielzeug, ist.“

„Ich hab schon den Eindruck, dass das ne Strategie ist. Die einen zögern alles raus und andere sind nur da, um dich unter Druck zu setzen oder zu provozieren.“

Von Kellogspackungen und anderen Dingen

Kein Wunder also, dass sich die Beamt*innen wenig für die Durchsuchungsbeschlüsse interessierten. Die Betroffenen mussten nicht nur lange auf die Beschlüsse warten, sondern es schien auch keine große Rolle zu spielen, was drin stand. Die Bullen haben so oder so die gesamte Wohnung durchwühlt und verwüstet.

„Im Durchsuchungsbefehl stand nur, sie suchen ein Samsung-Handy. Und ich bin so wütend, denn das Handy hatten sie nach fünf Minuten, dann hätten sie ja wieder gehen können! Stattdessen haben sie ja alles einfach mitgenommen, was sonst noch so da war. Nicht nur meine Sachen, auch die von meinem Mann.“

Nicht nur mit Durchsuchungsbefehlen nehmen die Cops es scheinbar nicht immer ganz genau:

„Auch die Beschreibung der Bullen ist einfach super schwammig: ‚männlich, phänotypisch europäisch, Haarfarbe von hellblond bis lilaviolett‘, steht genauso in der Akte. Das sind so die typischen Bullenschubladen. Damit ist das einfach polizeiliche Willkür. Die wollen Ergebnisse haben, die wollen einschüchtern und es ist einfach scheißegal, ob man was macht oder nicht.“

Durchsucht wurden neben den Zimmern der Betroffenen Gemeinschaftsräume, Küchen, Räume von Ehepartner*innen, Keller sowie Autos. Und das offenbar gründlich: „Bei uns haben sie in Kelloggspackungen reingeguckt. Wir hatten mehrere davon und sie haben die wirklich in die Hand genommen, haben da so reingeguckt und drin rumgewühlt. Was erwarten die denn, in ner Kelloggspackung zu finden?!“

Geklaut wurden neben den Handys vor allem Computer, Laptops und alle Arten von Speichermedien. In einzelnen Fällen auch Kleidungsstücke und Ähnliches.

„Sie haben alles an digitalen Datenträgern mitgenommen, was man sich so vorstellen kann. Die waren sich dabei auch für nichts zu schade. Also, sie haben einen komplett demolierten IPod Touch aus dem Jahr 2004 mitgenommen. Der ist auch total verbogen. Ich weiß nicht, was sie sich davon erhofft haben. Es ist klar erkenntlich, das Ding funktioniert nicht, haben sie trotzdem mitgenommen.“

Dass es bei den Durchsuchungen um Einschüchterung und Schikane ging, zeigt auch folgendes Beispiel deutlich: In einem Fall gilt ein Video als Beweismittel und Grundlage der Razzia. Die Person im Video trägt einen Rucksack. „Bei uns fehlt noch ein Rucksack, der nicht mir gehört und auch nicht in meinem Zimmer war, sondern auf dem Dachboden, und der eine andere Farbe hat als der auf dem Video.“ Aber Hauptsache Rucksack mitgenommen …

Auch nach über einem Jahr sind einige der beschlagnahmten Sachen noch immer bei den Bullen. Nur in einem Fall waren alle Sachen nach ca. drei Wochen wieder da. Die Regel waren eher einige Monate und manches ist bis heute weg. Selbst unverschlüsselte Laptops und Datenträger mit wichtigem Arbeitsmaterial wurden teilweise monatelang einbehalten. Vor der Rückgabe wurden alle Datenträger gespiegelt. Große Probleme haben die Cops nach wie vor mit verschlüsselten Laptops und Datenträgern. Diese sind nun „auf unbestimmte Zeit“ beim LKA in Hannover. Vorher haben die Cops versucht, die Genoss*innen damit unter Druck zu setzen, dass sie ihre Laptops etc. schneller zurückbekommen, wenn sie die entsprechenden Passwörter aushändigen – selbstverständlich ohne Erfolg.

Unangenehmes Detail am Rande: Die zur Auswertung nach Hamburg geschickten Sachen sollten von den Betroffenen auch dort wieder abgeholt werden. Erst nach Einschreiten eines Anwalts lagen die Sachen dann doch in Göttingen bereit.

Get disconnected!

Viele technische Geräte spielen in unserem (politischen) Alltag eine wichtige Rolle. Daher sind die Daten auf unseren Laptops, Computern, Telefonen und anderen Datenträgern ein Spiegel unseres Lebens, an dem auch die Polizei ein dementsprechend großes Interesse hat. Es ist also wenig verwunderlich, dass die Bullen alles mitnehmen, was sie in die Finger kriegen – mit entsprechenden Folgen für die Betroffenen.

„Du hast ja alles nicht mehr. Handy und Laptop sind weg. Ich bin noch nicht wieder auf dem Stand von vorher. Teilweise fehlt mir auch gerade verschlüsselte Technik. Und natürlich ist eine Angst da, dass meine Mails und so noch überwacht werden. Das ist für mich persönlich wahrscheinlich so das Schlimmste, dass ich Gefühl habe, ob ich da für andere Leute eine Gefährdung bin.“

Beim Umgang mit Daten und Gerätschaften stellen sich vor allem zwei grundsätzliche Fragen: Zum einen, wie wir die Daten vor dem Zugriff der Repressionsbehörden schützen können und zum anderen, wie wir die Daten für uns selbst sicher erhalten können.

Damit die Cops nicht an die Daten rankommen, ist es wichtig, möglichst alle Computer, Handys und Datenträger zu verschlüsseln. Die Erfahrungen in diesen und anderen Fällen zeigen, dass sie an korrekt verschlüsselte Geräte, wenn überhaupt, nur mit erheblichem Arbeitsaufwand rankommen, der ggf. im Einzelfall gerechtfertigt werden muss.

„Verschlüsselung macht Sinn, da kommen die Bullen meistens nicht so schnell ran. Dafür sind die Daten dann aber meistens komplett weg.“ Aber letztlich sind die Daten auch weg, wenn ihr die Datenträger wiederbekommt. Es besteht immer das Risiko, dass die Cops etwas auf den Geräten hinterlassen.

Insofern scheinen sich auch alle Interviewten grundsätzlich einig: „Die technischen Sachen, die ich wiederbekommen habe, die benutze ich nicht.“

Dennoch ist es nicht ganz so leicht, wie sich das manchmal sagen lässt, denn mit den zurückgegebenen Speichermedien kommt meistens kein Inhaltsverzeichnis anhand dessen sich nachvollziehen lässt, was wo drauf ist und dann möglicherweise verloren geht. Und manches ist vielleicht nicht so einfach wieder herzustellen …

Das führt auch direkt zum nächsten Punkt: Das Sichern der Daten, damit dann eben nicht alles weg ist.

„Es macht also Sinn verschlüsselte Backups zu machen und die auch nicht im Haus zu lassen.“

„Das Gute war, dass ich mir mal digital aufgeschrieben hatte, was wo drin ist und ich hatte auch Backups von bestimmten Dateien. Bei der zurückbekommenen Hardware, wie USB-Sticks habe ich schon angefangen sie zu zerstören. Mit dem Hammer, das hat echt gut getan!“

Vor allem bezüglich eurer Bachelor-/Master-/Doktorarbeit oder anderer Arbeitsunterlagen solltet ihr euch vorher überlegen, wie ihr die Daten sichert, sodass ihr trotz einer Hausdurchsuchung und Datendieben nicht von vorne anfangen müsst. In Einzelfällen kann dafür ggf. eine Cloud oder eine andere externe Speicherung sinnvoll sein. Denkt dabei aber daran, dass auch das Internet nicht sicher ist. Befasst euch mit der Thematik bevor ihr wahllos Daten online speichert! Gute Infos und Diskussionsbeiträge zu Datensicherheit u. ä. gibt es unter anderem bei Capulcu.blackblogs.org von einer Gruppe technologie-kritischer Aktivist*innen und Hacktivist*innen.

Out of Action? – Bewältigung braucht Zeit

Während der Razzien kamen bei den Durchsuchten ganz unterschiedliche Gefühle hoch. Aber auch danach ist nicht nur das Zimmer bzw. die Wohnung verwüstet, sondern auch die Menschen brauchen Zeit, um mit dem Erlebten umzugehen.
Während der Razzien berichteten die Betroffenen vor allem von Wut, die sich unterschiedlich äußerte, teilweise in Aggressivität, teilweise mehr in einem Gefühl der Lähmung.

„Ich fand es krass, zu merken, wie aggressiv ich geworden bin. Das war eine Facette von mir, die ich noch nicht kannte. Ich war so aufgeregt, dass ich am liebsten allen eine auf die Fresse gegeben hätte.“

„Ich hatte ja schon gesagt, dass ich damals so gelähmt wütend war. Als die dann endlich weg waren, dachte ich, ich müsste ja vielleicht auch mal essen. Ich hatte aber noch gar keinen Geschmack für irgendwas, es schmeckte alles irgendwie nach Pappe.“

Das Gefühl der Verletzung bleibt oft auch nach den Razzien bestehen: „Es ist eine Verletzung, das spürt man auch danach noch. Ich habe mich gefragt, wieso ich, wieso an diesem Tag? Ich wollte in den Urlaub fahren und hatte meinen Rucksack gepackt.“

Auch die Wut entwickelte sich teilweise erst in der Zeit nach der Durchsuchung:

„Im Laufe der Zeit, als alles ein bisschen gesackt ist und erstmal rein persönlich kein so großes Nachspiel hatte, bin ich richtig wütend geworden. Richtig doll wütend auf diesen Staat, auf das, was er macht mit Leuten: Menschen auf diese subtile Art zu unterdrücken. Wenn ich Polizisten sehe, bin ich richtig sauer. Man sieht es an jeder Ecke, immer wieder hat man diese Repression und das bewegt mich sehr. Wie viel dieser Repression soll man eigentlich akzeptieren? Ich habe da so einen richtigen Hass.“

Auch nach den Razzien bleiben Ängste bei den Betroffenen, zum Beispiel, dass die Wohnung verwanzt wurde oder dass die Cops nochmal wiederkommen.

„Auch jetzt habe ich manchmal noch Angst, dass die da irgendwas hineinbeweisen in irgendwelche Sachen. Wenn die einen schon so ausspitzeln und so wild darauf sind, einem irgendwas anzuhängen oder was zu finden. Ich habe Angst, dass die sich irgendwas zurechtlegen, was nie passiert ist. Es gibt ja viel Manipulation.“

Dass diese Befürchtung keinesfalls an den Haaren herbeigezogen ist, zeigt ein Beispiel aus den Ermittlungsakten. Darin ist ein beschlagnahmtes Foto aufgeführt, das die Betroffene beim Lesen im Urlaub zeigt. Sie liest „Ihr Partisanen, nehmt mich mit euch“ von Giacomo Notari. Eine ausführlich dokumentierte google-Recherche zum Wort „Partisanen“ zeigt, welches Bild die Bullen dabei konstruieren wollen: eine Partisanin bereitet sich auf den nächsten Anschlag vor. Ihr solltet also aufpassen, mit welchen Geschichtsbüchern ihr euch fotografieren lasst …

„Wir hatten auch total Angst, dass die was dagelassen haben, weil die halt so total skurril in den Gemeinschaftsräumen gesucht haben, wie mit den Kelloggspackungen …“

„Eher im Privaten haben wir uns überlegt, ob wir überprüfen lassen, ob da so Überwachungssachen sind. Und wir fragen uns, wo wir uns eigentlich noch unterhalten können? Es macht mich so zornig, dass man aus seiner eigenen Wohnung raus gehen muss, um zu reden.“

„Bei mir ist eher die Angst da, dass mir das nochmal passiert. So ein bis zwei Mal pro Monat kommt es vor, dass ich schlafen gehe und denke ‚ja scheiße, morgen kommen die‘. Das ist völlig irrational und kommt aus dem Nichts. Ich wache auch morgens schneller auf bei Geräuschen. Das ist nicht täglich, aber ist schon eine Veränderung.“

Eine entscheidende Frage für die Betroffenen ist, wie mit dieser Verletzung der Privatsphäre umgegangen werden kann:

„Ich war ja bei der Durchsuchung nicht dabei. Wenn man sieht, was wird angefasst und wie wird das angefasst, dann ist das vielleicht etwas anderes. Bei mir ist das Komische, dass ich in mein Zimmer gekommen bin und auf den ersten Blick alles so aussah wie immer, aber irgendwie auch total anders, weil alles so minimal verschoben war. Eine Mitbewohnerin hat wieder alles zurück in die Schränke getan, so dass auf den ersten Blick wieder alles super sauber war. Aber sobald ich was gesucht habe, war es halt nicht mehr an dem Ort. Und um mich in meinem Zimmer wieder zurechtzufinden, musste ich alles aus allen Schränken wieder raus holen. Damit war sozusagen der Zustand direkt nach der Hausdurchsuchung wieder da und ich musste wieder alles neu aufräumen. Die haben ja alle Boxen ausgekippt und wenn ich zum Beispiel alte Fotos suche, dann frag ich mich: ja wo ist das denn jetzt? Bestimmte Teile in meinem Zimmer fühlen sich immer noch ein bisschen fremd an. Das ist schon komisch.“

„Ich habe da auch irgendwie gute Sachen mit rausgenommen. Wir haben jetzt vor den Gemeinschaftsräumen Vorhänge angebracht. Wir hatten vorher die Idee, dass es ja auch nett ist, keine Vorhänge zu haben, aber das machen wir jetzt nicht mehr und die Vorhänge werden auch zugezogen.“

Ganz Göttingen hasst die Polizei!

Wir haben die Betroffenen auch gefragt, ob und welche Auswirkungen die Razzien auf persönliche Beziehungen hatten, sei es zu den Menschen, mit denen sie direkt zusammenwohnen als auch zu Freunden und Familienmitgliedern, denen nur davon erzählt wurde. Dabei wurde vor allem von unterstützenden Reaktionen berichtet:

„Ich habe das, was passiert ist, schon einzelnen Familienmitgliedern erzählt. Dabei habe ich nie rausgehört, dass sie schlimm finden, was ich mache, sondern eher dieses ‚Pass auf dich auf!‘ Das finde ich auch total wichtig, dass man merkt, dass Leute sich nicht abwenden von einem, dass nicht so in Frage gestellt wird, was man eigentlich an Ideen teilt und gut findet.“

„Komischerweise habe ich von den Leuten, die nicht in der linksradikalen Szene sind, sondern die vielleicht eher so ‚Bauchlinke‘ sind, eher Unterstützung bekommen. Die haben sich richtig aufgeregt, wie ‚Scheiß Cops! Das wusste ich gar nicht, dass die so drauf sind… Das geht ja gar nicht!‘ Ich habe denen dann Zeitungsartikel gezeigt und sie haben langsam mehr Zusammenhänge verstanden. Jetzt sehe ich sie auch häufiger auf Demos und auf Veranstaltungen im Autonomen Zentrum, im Jugendzentrum und so. Bestimmt war die Hausdurchsuchungserfahrung nicht der einzige Auslöser, es hat aber sicher dazu beigetragen, dass manche Leute sich mehr mit politischen Themen, insbesondere Repression, auseinandersetzen. Und das ist schon ziemlich cool: auf einmal gibt es Menschen, die vorher nicht tief in der Szene waren, die sich jetzt dafür interessieren!“

Menschen, die die Razzien als Mitbewohner*innen erlebt haben, sind in dem Moment ja auch selbst von der Gewalt betroffen. Ihre Reaktionen waren unterschiedlich, aber es überwog die Wut auf die Polizei.

„Zwei Mitbewohnis sind jetzt wütender auf die Cops geworden. Die waren nicht so wirklich politisch aktiv, aber denken jetzt anders und das finde ich gut.“

„Ich habe auch eine tiefe, tiefe Dankbarkeit gegenüber den Mitwohnis, die in der Situation den klaren Kopf behalten haben. Die hatten dieses Plakat zu Hausdurchsuchungen irgendwie auswendig gelernt und haben mit einer Standhaftigkeit so Sachen eingefordert. Weil es ist ja früh morgens, die ganze Straße ist voller Bullen, das ganze Treppenhaus ist voller Bullen … Und meine Mitbewohnerin steht da und brüllt mit entsprechender Lautstärke ‚Wo ist der Durchsuchungsbeschluss‘, ganz ohne Beleidigung, aber ganz straight und immer wieder. Sie fordert ein, was ihr zusteht: ‚Wer sind sie? Wie ist ihr Name? Was ist hier der Vorwurf? Gegen wen richtet sich das?‘. Wir haben das Plakat natürlich auch genau neben der Tür hängen. Ich lauf da jeden Tag dran vorbei, aber es war alles weg in dem Augenblick.“

„Das ist auch eine Erfahrung, die zusammenschweißt. Auf der einen Seite gab es voll den Hass, auf der anderen Seite hat es Menschen aber auch voll nahegebracht, auch so mir persönlich.“

Solidarität ist eine Waffe!

Nicht nur im direkten Wohn- und Lebensumfeld gab es Unterstützung in unterschiedlichen Weisen. Als eine große emotionale Unterstützung während der Razzien wurden auch die solidarischen Menschen wahrgenommen, die sich frühmorgens vor betroffenen Häusern versammelten:

„Toll war auch, dass gleich Leute draußen waren. Keine Ahnung, wo die herkamen, aber plötzlich hörte ich Sprechchöre von draußen. Da standen Leute mit FCK BFE-Tassen und tranken ihren Kaffee. Es wurden sogar noch Transpis irgendwo aufgetrieben.“

„Für mich war es auch total wichtig, zu sehen, dass es Leute gibt, die dazu arbeiten … kritische Journalisten, die dazu schreiben … dass es Fotos gibt … dass man nicht so auf die Bullen und den Staat zurückgeworfen ist und nur die die Deutungsmacht über das haben, was da passiert ist!“

Gute Vorbereitung ist alles: Was tun, bevor die Bullen vor deiner Tür stehen

Zu guter Letzt wollen wir natürlich Erfahrungen nutzen, um uns für mögliche weitere Hausdurchsuchungen zu wappnen. Deswegen haben wir zum einen nochmal zusammengetragen, was wir aus den Berichten der Betroffenen ziehen und sie zum anderen auch selbst nach praktischen Tipps gefragt.

Wichtig ist vor allem, den möglichen Fall einer Razzia und wie  damit umzugehen ist, mit den Mitbewohner*innen zu besprechen: „Besprecht das auch in der WG: ‚Was passiert, wenn … die Polizei die Wohnung durchsuchen will …‘ Ich habe bemerkt, dass sich einfach nicht alle wirklich vorstellen können, was das heißt“. Dabei ist es auch wichtig, zu besprechen, was ist, wenn du Ziel der Durchsuchung, aber selbst gar nicht anwesend bist.

Bedenkt dabei auch, dass es rechtlich keine Trennung des Eigentums bei Ehepartner*innen gibt, also deren Räume und Sachen ebenfalls durchsucht und beschlagnahmt werden. Ähnliches gilt für eure Kinder, auf die die Schweine im Zweifel mal so gar keine Rücksicht nehmen.

Um sich selbst sicherer zu fühlen in einer solchen Situation, kann zum Beispiel dieser Hinweis helfen:

„Sprecht dieses Plakat zu Hausdurchsuchung mal laut! Übt es mal, eure Rechte einzufordern, so vorm Spiegel. Es kam mir echt nicht über die Lippen.“

Habt die Nummer einer Anwält*in eures Vertrauens griffbereit in der Wohnung, da es wichtig ist, dass möglichst schnell eine vor Ort ist. Die Erfahrungen in Göttingen haben gezeigt, dass mit Ankunft der Anwält*innen in der Regel auch die Situation mit den Cops etwas entschärft wurde.

Betroffen sind einige – gemeint sind wir alle: United we stand!

Auch 20 Monate nach dem Gipfel in Hamburg sind die Nachwirkungen noch nicht ausgestanden. Das gilt für Göttingen sowie für alle anderen Städte, in denen Menschen von Repression betroffen sind. Auch wenn wir hier im Interview ganz individuelle Erfahrungen in den Vordergrund stellen, muss die fortlaufende Repression der letzten Jahre als umfassender Angriff auf emanzipatorische und widerständische Strukturen verstanden werden.

Jede Fahndung, Razzia oder Festnahme soll verunsichern und Ressourcen binden. Prozesse, wie zum Beispiel das aktuell laufende Verfahren um die G20-Proteste in der Elbchaussee, werden für einen breiten Angriff auf das Demonstrationsrecht genutzt. Parallel werden die repressiven Befugnisse der Cops durch die neuen Polizeigesetze massiv ausgebaut.

Die Solidarität untereinander während und nach dem Gipfel hat aber gezeigt, dass wir uns nicht einschüchtern und spalten lassen. Es ist auch diese Solidarität, die den von den Razzien Betroffenen die Kraft gibt, weiter für eine emanzipatorische Welt einzustehen. Und es ist diese Solidarität, die einen großen Unterschied darin macht, wie das Erlebte zu verarbeiten ist.

Wir möchten uns bei allen am Interview beteiligten Personen für die Zeit, das Vertrauen und die ehrlichen Antworten bedanken!

Ob friedlich oder militant, wichtig ist der Widerstand.

Alle Bilder stammen von Links Unten Göttingen. Vielen Dank!

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