Demo nach Hausdurchsuchungen in Göttingen am 7.7.2018

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Am Samstagmittag haben wir mit über 250 Menschen kraftvoll gegen Repression und Polizeiwillkür in Göttingen demonstriert. Bilder von der Demonstration gibt es von den Genoss*innen bei linksunten.

Leider erst nach Beginn der Demo erreichte uns ein Gruß aus dem italienischen Feltre, den wir hier aber gerne weitergeben:

Ciao to you all, our friends and comrades,

In this day, a year ago, hell was unleashing from the bowels of Hamburg.
That was a blast.
Hundreds of thousands of people spoiled the big party.
The brutality and arrogance of German military was ridiculed.

Today, many people are still paying the repressive revenge of the german state. That sucks. But what’s going on these days in Europe is not shocking news. Not anymore. And that’s because it has long become a war report. To accept the strife towards State and capitalism also means to
give up any legitimacy to their eyes.

You know what’s a blast either?
That we’re together even when far away.
The relations we built.
The hands we’ve hold during demos and charges.

They’re all things repression will never take away from us. And there are many more.

Freedom to all the prosecuted! Free Peike! Free all g20 prisoners!

United we stand!
Brothers and sisters from Feltre (IT)

Außerdem gab es mehrere spannende Redebeiträge, einzelne (von uns und der A.L.I.) wollen wir gerne mit euch teilen:

Antifaschistische Linke International (A.L.I.) Göttingen:

Vor gut einem Jahr wurde bekannt, dass das 4. Fachkommissariat der Polizeiinspektion Göttingen, verantwortlich für Staatschutz, eine umfangreiche Datensammlung über linke Aktivistinnen und Aktivisten angelegt hatte – illegal und über Jahre hinweg füllten die Staatschutzbeamten fünf pralle Aktenordner, die sie „LiMo“, für „linksmotiviert“ gelabelt hatten. Auch bei den Hausdurchsuchungen am 28. Juni 2018 hatte das FK4 seine Finger mit im Spiel.

Die Staatschutzschnüffler vom 4. Fachkommissariat stehen in einer Tradition politischer Polizeien in Göttingen, die mit dem AUFKDO – dem Aufklärungs- und Festnahmekommando – 1981 begann und vom Zivilen Streifenkommando ZSK fortgesetzt wurde und heute von den Staatschützern ausgeführt wird. Egal ob AUFKDO, ZSK oder FK4 – alle haben das Ziel linke Aktivistinnen und Aktivisten und Strukturen auszuspähen, zu überwachen und zu kriminalisieren. Das Trennungsgebot von Geheimdiensten und Polizei – als einer der wenigen Konsequenzen, die dieser bürgerliche Staat aus dem deutschen Faschismus gezogen hat – wird absichtlich gebrochen.
Die politischen Bullen können sich dabei gewiss sein, dass ihre Jagd auf Linke keine Konsequenzen für sie und ihre Arbeit haben wird – weder strukturell noch personell. Wenn einmal ihre Machenschaften ans Tageslicht kommen, werden die Einheiten offiziell aufgelöst und in andere Strukturen überführt, in denen dann wieder die gleichen Beamten ihrer Schnüffelei nachgehen. Im letzten Fall – der „LiMo“-Affäre wurden die Staatschützer vom FK4 von der Göttinger Staatsanwaltschaft gedeckt, keinen Straftatbestand erfüllt sehen wollte. Die Akten wurden angeblich ohnehin schon im Jahr 2015 gelöscht. Wie gründlich solche Daten vernichtet werden, kann im Falle der SpuDok-Sammlung anschaulich beobachtet werden. 1997 tauchten die angeblich schon im Jahr 1983 gelöschten Daten wieder auf, als darin erfasste Personen für eine vermeintliche Serie von Brandanschlägen verantwortlich gemacht werden sollten. Die offensichtliche Konstruktion dieser Ermittlungen war daran zu erkennen, dass eine der beschuldigten Personen zu Beginn dieser angeblichen Anschlagsserie erst zehn Jahre alt war.

Die jüngsten Hausdurchsuchungen erinnern an diese Art der Bezichtigungen durch die politische Polizei. Eine der Personen wurde von einer Beamtin des FK4 angeblich auf einem der Fahndungsfotos der Soko Schwarzer Block erkannt und soll an den Riots beim G20-Gipfel in Hamburg 2017 beteiligt gewesen sein. Dumm nur, dass sich die Person zu dem Zeitpunkt nachweislich nicht einmal auf den europäischen Kontinent aufhielt. Angesichts dessen würden wir gerne an bloße Inkompetenz der Staatschutzschnüffler glauben, aber wir wissen es besser! Aufgabe und Ziel des FK4 ist die politische Verfolgung und Kriminalisierung von Linken und in der aktuellen Situation, in der gegen Linke gehetzt wird, war es für die Schnüffler opportun bei ihren erklärten Feinden auch einmal die Türen einzutreten.

Für uns ist ebenso klar, wo der Feind steht und wir werden den Trennungsstrich zwischen uns und ihm immer wieder ziehen!
Wir lassen uns weder von den Knüppeln der Büttel des bürgerlichen Staates, noch von seinen Spitzeln einschüchtern!
Wenn wir solidarisch Schulter an Schulter zusammenstehen, läuft die Repression ins Leere!
Feuer und Flamme der Repression!

NoG20-Soligruppe Göttingen:

Wir sind heute hier um gemeinsam gegen die Polizeigewalt und erneuten Razzien am Donnerstag, den 28.06 in Göttingen zu protestieren. Aber nicht nur hier, sondern auch in zahlreichen anderen Städten fanden in den letzten Tagen Durchsuchungen statt, für die der G20-Gipfel letztes Jahr in Hamburg als Anlass herhalten musste.

Neben der völlig eskalierten Polizeigewalt vor, während und nach dem G20-Gipfel in Hamburg, haben viele von uns die gelebte Solidarität in Erinnerung behalten. Eine Solidarität, ohne die wir die Proteste nicht auf die Straße hätten bringen können, eine Solidarität, ohne die wir nach dem Gipfel nicht hätten weiter machen können, eine Solidarität, die uns erinnert, wofür wir kämpfen.

Wir erinnern uns:
Trotz der bereits vor dem Gipfel angedrohten Gewalt durch die Polizei und entsprechenden Gesetzesverschärfungen hat sich ein großes, spektrenübergreifendes Bündnis gefunden, das die Proteste zum G20-Gipfel in Hamburg vorbereitet hat. Wir haben uns nicht spalten lassen und unzählige Menschen sind nach Hamburg gekommen!

Trotz der Zerschlagung von Camps und Demonstrationen und trotz der zahllosen Verletzungen durch die Polizei haben sich die Menschen immer wieder neu zusammen gefunden, lautstark protestiert und immer wieder neue Camps, Demos und Aktionen auf die Straße gebracht. Ein gutes Beispiel dafür ist die Welcome to hell – Demo am Donnerstag vor G20, die brutalst von Polizist*innen zusammengeschlagen wurde: Dass es bei dieser, von der Polizei bewusst ausgelösten Massenpanik keine Toten gab, ist allein dem solidarischen Handeln der Demonstrant*innen zu verdanken. Die angegriffenen Menschen haben sich gegenseitig geholfen, Verletze versorgt und im Trubel einen kühlen Kopf bewahrt. Und trotz dieser Erfahrung massiver Gewalt durch den Staat haben sich kurze Zeit nach der Zerschlagung die Menschen erneut zusammengefunden, eine Demo formiert und sind einen Großteil der vorher geplanten Route gelaufen.

Diese Form der Solidarität haben wir auch in den darauffolgenden Tagen immer wieder auf der Straße erlebt: sei es bei dem alternativen Solidaritätskongress, den Blockadeaktionen, den zahlreichen Demonstrationen und Aktionen, bei der alternativen Berichterstattung und und und … Es war immer wieder eine Hand da, die einer bzw. einem aufgeholfen hat!

Dazu gehört auch eine enorm gut vorbereitete Infrastruktur aus Demo-Sanis, Ermittlungsausschuss und Anwält*innen, einer Out of Action-Struktur, gefühlt an jeder Ecke stehenden Soli-Küchen und sich solidarisch erklärenden Kneipen. Zusätzlich haben sogar Nachbar*innen ihre Türen für Aktivist*innen geöffnet und Wasser, Ruhe und Unterschlupf angeboten. Ohne diese weitreichende Solidaritätsstruktur hätten wir nicht die Kraft aufbringen können, immer wieder auf die Straße zu gehen!

Um das Erlebte während der G20-Gipfelproteste zu verarbeiten, politische Konzepte und Ideen aus den Erfahrungen zu entwickeln und nicht zuletzt, um gemeinsam einen Umgang mit den anhaltenden Repressionen und noch zu erwartenden Prozessen zu finden, haben sich in vielen Städten, wie auch in Göttingen, Soli-Gruppen zusammengefunden. Viele dieser Gruppen haben sich unter dem Label United we stand zusammengetan um die vielen inhaftierten Genoss*innen zu unterstützen und in ihren Prozessen zu begleiten. Gerade die im Knast isolierten Genoss*innen brauchen jedes bisschen Kraft, um die erdrückenden Haftbedingungen zu überstehen und ihrer Aussageverweigerung und politischen Positionierung treu zu bleiben. Denn wie auch Fabio, einer der am Rondenbarg inhaftierten Aktivist*innen uns schrieb: „Die Logik der Macht ist immer die gleiche, sie isoliert, teilt und bricht Bindungen. Sie wissen, dass ein Mensch leicht zu bekämpfen ist. Deshalb ist die Begleitung der Prozesse so wichtig, um deutlich zu machen, dass wenn sie gegen einen vorgehen, alle angreifen!“

Aber nach dem Gipfel sahen wir uns nicht nur mit Knast und Gerichtsverfahren konfrontiert, sondern es erfolgte auch eine Welle von Hausdurchsuchungen, Öffentlichkeitsfahndungen und Denunziationsaufrufen von Seiten des Staatsapparates. Wie auch gerade Donnerstag letzte Woche zeigt: hier wurde auf Grundlage von offensichtlich erfundenen Anschuldigungen gegenüber einem Genossen seine Wohnung durchsucht, seine Computer mitsamt der Masterarbeit geklaut und er als Gewalttäter denunziert. Auch bei diesen Durchsuchungen unterstützen die solidarischen Strukturen die Betroffenen. Denn nur so können wir gemeinsam der gewaltvollen Machtdemonstrationen des Staates etwas entgegensetzen und weiter für unsere politischen Ziele kämpfen. Dabei gibt uns jedes bisschen erlebte Solidarität einen Eindruck davon, wie ein ein selbstbestimmtes Leben abseits des unterdrückenden Verwertungslogik aussehen könnte.

Betroffen sind einzelne, gemeint sind wir alle. Unsere Waffe ist Solidarität – gemeinsam werden wir widerständig sein und bleiben!

Aktuelle Entwicklungen nach G20, insbesondere zu der massiven Repression findet ihr bei United we stand und auch auf unserer Webseite, der NoG20-Soligruppe Göttingen. Wir möchten euch auch gerne auf unsere nächste Veranstaltung hinweisen am Freitag, den 27. Juli, bei der es explizit um Soli-Arbeit und Knasterfahrungen gehen wird.

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