Aktuell sieht alles danach aus, dass 2020 die Prozesse im sogenannten Rondenbarg-Komplex starten werden. Über zwei Jahre nach der zerschlagenen Demonstration am Rondenbarg im Zusammenhang mit den NoG20-Protesten in Hamburg, sollen voraussichtlicht über 100 Personen vor Gericht gezerrt werden – einige davon aus Göttingen. Ein erster Prozess in diesem Zusammenhang gegen unseren Genossen Fabio aus Italien ist im Februar 2018 geplatzt. An der mit Fabios Prozess eingeschlagenen Route der Staatsanwaltschaft und Gerichte dürfte sich wenig ändern. Wir wollen deswegen kurz zusammenfassen was bisher passiert ist.
Als einer von vielen wurde Fabio im Zuge der G20-Proteste am Morgen des 7. Juli 2017 am Rondenbarg in Hamburg festgenommen, wo ein Demonstrationszug von der Polizei massiv angegriffen wurde. Viele Demonstrant*innen wurden schwer verletzt und über 60 Menschen im Anschluss festgenommen. Fabio saß danach fast fünf Monate in Untersuchungshaft, obwohl ihm keine konkrete Tat – nur die reine Anwesenheit – vorgeworfen wird. Der Prozess begann Mitte Oktober 2017.
Konstruiert wurde die Anklage, u.a. wegen schweren Landfriedensbruchs, durch die Behauptung, es habe sich am Rondenbarg nicht um eine politische Demonstration gehandelt, sondern um eine Gruppe, die sich „zu Gewalt verabredet“ habe. Damit reicht die bloße Anwesenheit für eine Verurteilung aus, selbst wenn den Personen selbst keine konkreten Straftaten vorgeworfen werden. Schon das hanseatische OLG stützte diese Sichtweise in Fabios Haftbegründung auf ein Urteil des BGH aus 2017. Dass es darin um einen Überfall von Hooligans auf Fans des gegnerischen Vereins ging und das BGH die Übertragung auf Demonstrationen explizit ausgeschlossen hat, wurde dabei bewusst ignoriert.
Das gleiche Konstrukt kommt übrigens auch beim Prozess um die Demonstration in der Elbchaussee zum Einsatz. Sollte diese Strategie Erfolg haben, wäre es dem Staat jederzeit möglich, für noch so kleine Vorfälle eine gesamte Demonstration zu verfolgen und zu kriminalisieren. Es geht bei den Prozessen in Hamburg also nicht nur um mögliche Strafen für unsere Genoss*innen, sondern auch um die grundsätzliche Verschärfung der Bedingungen unter denen wir auf die Straße gehen.
Bei Fabios Prozess kam der unbedingte Verfolgungswille nicht nur in der Dauer der Untersuchungshaft zum Ausdruck, sondern auch in den Äußerungen des Oberlandesrichters Tully während der Haftprüfung. Ohne, dass sich Fabio geäußert hätte oder gar ein Gutachten vorlag, bescheinigte der Richter dem Neunzehnjährigen „schädliche Neigungen“ und „erhebliche Anlage- und Erziehungsmängel“, „die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen würden“. Gemeint ist hier eine lange Haftstrafe.
Mit viel Phantasie versuchte die Polizei, die Demo im Rondenbarg als gefährlich darzustellen und dadurch ihren Einsatz zu rechtfertigen. So wurden zahlreiche Gegenstände, die neben der Demo und am Rande einer Baustelle im Gebüsch gefunden wurden, der Demonstration zugeordnet. Die Demonstrierenden sollen sich also mit Bauzaunlatten, verschiedenem Werkzeug wie Sägen und Hämmern und sogar einer Badewanne auf den Weg zur Blockade gemacht haben.
Insbesondere an die Öffentlichkeit gelangte Einsatzvideos der Polizei sorgten während des Prozesses für eine breite mediale Aufmerksamkeit. Diese Videos widerlegen eindeutig die Konstruktion eines gewalttätigen Angriffs auf die Beamt*innen. Sie zeigen dagegen, mit welcher Brutalität die Polizei gegen die Demonstrierenden vorgegangen ist.
Hier das Polizeivideo
Und ein Bericht von Panorama zu Fabios Prozess
Der Prozess gegen Fabio ist am 27.2.18 vorerst geplatzt, weil die Richterin in Mutterschutz gegangen ist. Am letzten Prozesstag wurde sehr deutlich, dass mit allen Mitteln versucht wurde, ein Abschluss des Prozesses zu erzwingen. Unzählige Beweisanträge wurden abgeschmettert und die Verschriftlichung von Funkaufzeichnungen der Polizei sowie der Ablehnungsbeschlüsse des Gerichtes abgelehnt. Die Erörterung der Frage, ob es sich am Rondenbarg um eine – grundrechtlich geschützte – Demonstration gehandelt habe und somit der Polizeieinsatz in dieser Form rechtswidrig war, wurde von der Richterin einfach als irrelevant für die angestrebte Verurteilung abgetan.
Das Platzen des Prozesses bedeutet, dass er komplett neu aufgerollt werden muss, wenn er zu einem Abschluss gebracht werden soll. Es muss ein neues Gericht (also Richter*in, Schöff*innen Staatsanwält*in) gefunden werden und dann geht das Ganze für Fabio nochmal von vorne los.
Weiterführende Information könnt ihr unter folgenden Links finden:
Bericht und Einschätzung vom Grundrechtekomitee
Prozessberichte bei United wie Stand