Am Freitag, den 10. Juli soll das Urteil im Elbchausseeprozess fallen – ziemlich genau drei Jahre nach dem G20-Gipfel in Hamburg. Über eineinhalb Jahre wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit gegen Loïc aus Frankreich und vier weitere Genossen aus Frankfurt/Offenbach verhandelt. Sie sollen für alle entstandenen Sachschäden während der Demo in der Elbchaussee zur Verantwortung gezogen werden, völlig unabhängig davon, ob ihnen individuell etwas vorgeworfen wird. Sie sollen exemplarisch bestraft werden: als Rache für den verpatzen Gipfel und um andere Aktivist*innen abzuschrecken.
Loïc saß bereits fast eineinhalb Jahre in Untersuchungshaft und zwei der Genossen aus Hessen über ein halbes Jahr.
Die Staatsanwaltschaft fordert vier Jahre und neun Monate Haft für Loïc und seine umgehende Inhaftierung nach der Urteilsverkündung. Für die vier weiteren Aktivisten werden Haftstrafen von zweieinhalb bis drei Jahren gefordert.
In diesem Prozess wird ein Konstrukt herangezogen, die Demonstration in der Elbchaussee nicht als eine solche zu werten. Das macht es erst möglich, Genoss*innen für die reine Anwesenheit im Umfeld der Demo zu bestrafen. Nähere Infos dazu findet ihr hier: https://nog20soligoe.blackblogs.org
In seiner sehr eindrücklichen Prozesserklärung fasst Loïc das so zusammen: „Es gibt einen besonders schwerwiegenden Aspekt in dieser Angelegenheit: 5 Personen müssen für sämtliche Schäden einer Demonstration gradestehen. 99 % der vorgeworfenen Taten zielen nicht persönlich auf die Angeklagten ab. Die Anklage erstreckt sich auf über eine Million Euro Schäden. Der Staatsanwalt versucht eine weitreichende Sicht der Komplizenschaft zu konstruieren und aufzuerlegen, bis zu dem Punkt, wo er sogar über die angenommene Präsenz der Angeklagten hinausgeht. Konkret gesagt, stellen Sie sich vor, dass bei einer Demonstration jemand 50 Meter vor Ihnen ein Auto abfackelt : Sie werden als verantwortlich für die Schäden angesehen. Aber das ist nichts! Stellen Sie sich jetzt vor, Sie verlassen die Demonstration, 10 Minuten später wird ein Molotow–Cocktail geworfen: obwohl Sie nicht mehr vor Ort sind, werden Sie auch dafür verantwortlich gemacht.
Es gibt viele Probleme in diesem Verfahren, im Gefängnis, in der Polizei, im Kapitalismus, im Staat und seiner Welt.“
https://unitedwestand.blackblogs.org/prozesserklaerung-von-loic/
Die Schaffung eines solchen Präzedenzfalles hat – über den konkreten Prozess hinaus – eine weitreichende politische Bedeutung: Wenn Menschen permanent mit einer Verurteilung rechnen müssen, sobald sie an einer Demonstration teilnehmen, wird das die Bedingungen für Protest in Deutschland massiv verändern und die Demonstrationsfreiheit weiter einschränken.
Damit werden, diesmal ganz ohne Gesetzgebungsprozess, weitere Möglichkeiten geschaffen, unliebsame Aktivist*innen für nichts zu kriminalisieren. Vor dem G20-Gipfel in Hamburg wurde bereits der Tatbestand des „Tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte“ massiv verschärft und mit einer Mindeststrafe von drei Monaten Gefängnis belegt. Da reicht ein bisschen Phantasie und die Absprache mit ein oder zwei Kolleg*innen aus, um Menschen willkürlich zu kriminalisieren.
Die Prozesse um die Demonstration am Rondenbarg werden die nächsten im Zusammenhang mit G20 sein, bei denen es darum gehen soll, Menschen wegen ihrer Anwesenheit – ohne individuellen Tatvorwurf – zu verurteilen. Dies betrifft auch Genoss*innen aus Göttingen. Verhandlungstermine stehen bisher noch nicht fest, möglicherweise beginnen die Prozesse aber noch in diesem Jahr.
https://nog20soligoe.blackblogs.org/2018/04/18/goe8-gegen-g20/
https://gemeinschaftlich.noblogs.org/
Aktuelle Infos zu den G20-Prozessen findet ihr unter: unitedwestand.blackblogs.org
Wir lassen uns nicht spalten in ihre Kategorien von friedlich und nicht-friedlich. Wir werden uns immer wieder das Recht nehmen für unsere Ziele mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln auf die Straße zu gehen!
Freisprüche im Elbchaussee-Prozess!
Einstellung aller weiteren G20-Verfahren!
Freiheit für alle politischen Gefangen!